Erziehungswissenschaftler Ulrich Gebhard, Uni München, beschreibt in seinem Buch „Kind und Natur“ die Bedeutung der Natur für die psychische Entwicklung. Er spricht in diesem Zusammenhang vom Konzept der Therapeutischen Landschaft, die er so erklärt: „Die Betrachtung bzw. der Aufenthalt in solch einer vermittelt Ruhe und Zufriedenheit. Es sind dies Orte, die in der Lage sind, Wohlbefinden, Heilung und Prävention anzubieten.“
In ihrer Masterarbeit an der Charité Berlin 2013, geht auch Ines Kruse gezielt auf den Waldkindergarten als Therapeutische Landschaft ein: „Welche gesundheitsfördernden Faktoren offerieren Natur und Landschaft eines Waldkindergartens?“ Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein Waldkindergarten ein Ort der Gesundheitsförderung ist. Kruse: „Die Erfahrungen in der Natur stabilisieren und fördern die physische, psychische und soziale Gesundheit von Kindern im Entwicklungsalter.“
Die ersten Entwicklungsjahre sind stark körperzentriert. Lernen die Kinder in dieser Zeit die Funktionen des Körpers in vollem Umfang kennen, stärkt das das Körperbewusstsein. „Körperliche Erfahrungen und Erfolgserlebnisse geben motorisch Halt, festigen die Statur und stärken gleichzeitig das Selbstbewusstsein“, meint die Autorin. Eine Trennung von körperlicher und geistiger Gesundheit sei schwer möglich.
Natur fördere beides: Einerseits die Persönlichkeitsentwicklung und psychische Stabilität, sie gebe und festige sinnvolle Werteorientierung. Ebenso stärke der Aufenthalt in der Natur das Immunsystem. Kruse: „Matsch, Erde, Feuchtigkeit, Waldluft – all das stärkt unter anderem die Abwehrkräfte, beugt chronischen Krankheiten und Allergien vor.“
Sie begründet die Stärkung der körperlichen Gesundheit durch den Aufenthalt in der Natur mit überdurchschnittlich vielen und unterschiedlichen Bewegungsmöglichkeiten in der natürlichen Landschaft (wie zum Beispiel Hebe-, Streck- und Beugeübungen), wodurch es zu Aufbau und Stärkung der Muskulatur komme. Zusätzlich trainiere man dadurch körperliche Ausdauer, Balance und Koordination.
Auf die vielen stimulierenden Reize und Erlebnisqualitäten im Wald verweist auch Gebhard:
– Eine Vielfalt von Reizen, die gleichzeitig und wechselnd sind: Wind, Lichteffekte, Temperatur, Gerüche…
– Ein andauernder Wechsel der Reize von hell bis dunkel, trocken bis nass, warm bis kalt…
– Ein Fordern der Wachsamkeit und Aufmerksamkeit durch die Instabilität und Fragilität
– Der Kontakt zu Lebendigem
– Die natürliche Umgebung, die oft vieldeutig, unscharf, unendlich verschiedenartig ist und die Fantasie anregt.
Kruse weist in diesem Zusammenhang auch auf die überdurchschnittlich hoch engagierten und sich mit ihrer Arbeit besonders identifizierenden PädagogInnen hin. Dies wirke sich positiv auf deren eigenes Wohlbefinden, deren Haltung und deren Authentizität gegenüber den Kindern und den Familien aus, was wiederum der Gesundheit aller Beteiligten zugute komme: „Das Bewusstsein um den Nutzen der Naturerfahrung macht den Waldkindergarten zu einem Ort des Wohlbefindens für Kinder, Eltern und PädagogInnen.“ Kruse schließt ihre Arbeit mit dem Hinweis, dass die Naturkomponente unbedingt das Potenzial habe zur Integration in den Regelkindergarten.
Daniela Christl