Natur wirkt…! Als Puffer bei Stress, als Anreiz zu körperlicher Aktivität, es regt zu Kontaktaufnahme mit anderen an, hebt das Selbstwertgefühl und vieles mehr. Wie Naturerfahrungen die kindliche Entwicklung fördern können zeigt eine neue Studie.
Die Autoren Armin Lude, Hochschulprofessor für Biologie und Didaktik, und Andreas Raith, Hochschulprofessor für Grundschulpädagogik und Kindheitsforschung, haben für ihre Studie eine umfangreiche wissenschaftliche Literaturanalyse unternommen. Die Ergebnisse flossen in ihr Buch „Startkapital Natur – Wie Naturerfahrungen die kindliche Entwicklung fördern“:
Welche Gerüche haben die Jahreszeiten? Wie duften Wiesen und Wälder? Erinnern Sie sich an die Düfte Ihrer Kindheit? Erinnern Sie sich an die Lieblingsspiele Ihrer Kindheit? Wo haben Sie gemeinsam mit anderen am liebsten gespielt? Draußen im Grünen und in der Natur?
Wer sich mit der Natur verbunden fühlt und gerne Zeit im Grünen verbringt, hat keinen Zweifel, dass Menschen Natur brauchen. Nur was genau von der Natur beeinflusst wird, ist oft schwer zu sagen. Kann das Spiel in der Natur die motorische Entwicklung von Kindern besser fördern als das Spiel auf einem traditionellen Spielplatz? Ist es möglich, dass Naturkontakte das Selbstbewusstsein von Kindern stärken?
Naturkontakte und Naturerlebnisse bedeuten:
– Erholung von Stress und psychischer Erschöpfung
– Die Anregung körperlicher Aktivität
– Die Erleichterung sozialer Kontakte
– Die Förderung der optimalen Entwicklung von Kindern
– Die Stimulierung der persönlichen Entwicklung und Sinnfindung
Die Nutzung der natürlichen Umgebung ist sogar zur Linderung von Symptomen im Zusammenhang mit der ohnehin umstrittenen Krankheitsdiagnose Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS genannt, von großer Bedeutung. Eine vegetationsreiche Umgebung wirke als Puffer für stressige Lebensereignisse und förderlich für das Selbstwertgefühl. Dazu hätten Naturräume eine belebende Wirkung. Sie bieten Erholung von geistiger Müdigkeit und Stress.
Gut gegen ADHS
Stressmildernde Effekte sind auch bei Kindern deutlich zu beobachten. Die Natur mildert Symptome chronischer Aufmerksamkeitsstörungen. Sie verbessert Konzentration und Selbstdisziplin, zeigt Auswirkungen auf die psychosoziale Entwicklung, Kreativität, Konzentration und Wahrnehmungsfähigkeit. Natürliche Landschaften fördern das psychische Wohlbefinden, indem sie zur Erholung von Aufmerksamkeitsermüdung beitragen, Stress reduzieren und positive Emotionen wecken.
Der regelmäßige Aufenthalt und die körperliche Aktivität in natürlichen Umgebungen stehen in Zusammenhang mit einem geringeren Risiko für schlechte mentale Gesundheit (Wohlbefinden, Selbstwahrnehmung, Selbstkompetenz, Sachkompetenz).
Auch der Erziehungswissenschaftler Ulrich Gebhard verweist darauf, dass für eine gesunde, seelische Entwicklung ausgedehnte Naturkontakte wesentlich sind: „Der psychische Wert von Natur besteht in zwei gegensätzlichen Eigenschaften: der Vermittlung von Kontinuität und damit Sicherheit einerseits und zugleich dem ständigen Wandel der Natur andererseits. Dies sollte von den Kindern in kleinen, aber selbstständigen Schritten erschlossen werden.“
Hier gerät das ungeregelte Spiel ins Blickfeld, das einen positiven Einfluss auf die kognitive Entwicklung hat. Das aktive Spielen im Grünen verbessert die Aufmerksamkeit. Eine Fähigkeit, die ein Leben lang benötigt wird. In der Natur werden vor allem Bewegungsbedürfnisse gestillt und so die motorische Entwicklung positiv beeinflusst. Diese Bewegungsabläufe bleiben im Körper ein Leben lang abgespeichert.
Eltern von Kindern unter acht Jahren nutzen im Alltag Naherholungsgebiete besonders häufig. Gebhard: „Es gibt bei Kindern ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Natur, nach Draußen-Spielen und nach freien Orten, wo wenig menschliche Anforderungen und Ruhe sind.“ Dabei steht das Bedürfnis der Kinder nach Natur immer in Beziehung mit anderen Menschen. Insbesondere für kleine Kinder ist die Verbindung von Naturerfahrungen mit der Beziehung zu Menschen bedeutsam.
Vertraute Bezugspersonen in Sicht- oder Rufweite ermöglichen eine selbstständige Aneignung der Natur. Im Gegensatz dazu verfügen Kinder, die keine Erfahrungen in naturnahen Freiräumen machen konnten, nicht über die Fähigkeiten, den Wald ganz selbstverständlich für Spiele zu nutzen.
„Natur sei kein Allheilmittel gegen alle neuzeitlichen Zivilisationsschäden, jedoch können in der Natur viele kindliche Anliegen völlig nebenbei und ohne pädagogische Arrangements ausgelebt werden“, meint der Erziehungswissenschaftler.
Daniela Christl