Raus aus der Komfortzone, rein in die Natur. Das ist das Motto, wenn Daniel Punz ein Wald-Wochenende mit beeinträchtigten Kindern unternimmt. Der Erlebnispädagoge aus St. Isidor erfährt dabei jedes Mal wieder, wie viel Potential in Kindern steckt, wenn Erwachsene sich zurücknehmen.

Es ist eine Erfahrung der anderen Art: Ohne Strom, ohne Wasser, dafür mit offenem Feuer verbringt eine kleine Gruppe ein Wochenende in einer Hütte im Wald. Gespräche lösen intensive Naturerlebnisse ab. Mal fahren sie mit dem Kanu, überqueren einen Fluss, suchen einen Schatz oder lösen Orientierungsaufgaben. Viele von ihnen erleben Natur auf diese Art und Weise zum ersten Mal.

Als „Stadtkinder“ sind sie grauen Beton gewohnt, nicht grünes Moos. Normalerweise leben die Kinder und Jugendliche in betreuten Wohngruppen in St. Isidor. Sie haben körperliche oder kognitive Beeinträchtigungen. Wenn sie etwas brauchen, ist ein Behindertenbegleiter zur Stelle, um sie zu unterstützen.

Beim Naturcamp hingegen werden die Grenzen ihrer Selbständigkeit ausgetestet. „Wir bieten ihnen natürlich einen sicheren Rahmen“, betont Daniel Punz. „Aber wichtig ist uns trotzdem, die Kinder aus ihrer Komfortzone herauszuholen.“ Eigeninitiative ist gefragt, wenn die Kinder verschiedene Aufgaben lösen sollen. Daniel Punz bleibt in der Nähe, um in allen Situationen Sicherheit zu garantieren und schnell zur Stelle sein zu können. So weit es geht, nimmt er sich jedoch zurück. „Vergleicht man ihr Verhalten zuhause in den Wohngruppen und im Wald, merkt man, wie sehr sie sich von Erwachsenen abhängig machen“, sagt Punz.

In einem völlig anderen Umfeld Aufgaben lösen zu müssen, weckt hingegen den Tatendrang und Forschergeist der Kinder. „Als wir mit den Waldtagen begonnen haben, hat mich überrascht, was die Kinder leisten können, wenn die Erwachsenen sich zurücknehmen. Wieviel Potential und Selbständigkeit da ist. Wenn hingegen Erwachsene mitmachen, verlassen sich die Kinder sofort zu 100 Prozent auf sie.“

Sechs Mal im Jahr verbringt Daniel Punz mit den Kindern das Wochenende im Wald. Die Gruppengröße ist überschaubar – zwischen vier und acht Kinder – eine immer gerade Anzahl, damit bei Paarübungen niemand übrig bleibt. Wichtig ist ihm auch, auf die Gruppenzusammenstellung zu achten. Das Entwicklungsalter und die Grundkonstitution sollen ähnlich sein, damit alle die jeweilige Herausforderung meistern können. Bei Jugendlichen kommt es auch vor, dass er die Gruppen nach Geschlecht trennt.

„Die Jugendlichen beschäftigen sich in diesem Alter mit Themen wie Partnerschaft und Sexualität“, erläutert er. „Da ist es leichter für sie, sich in einer gleichgeschlechtlichen Gruppe zu öffnen.“ Die Gespräche laufen oft nebenher, während der Aktivitäten in der Natur, sind jedoch intensiv – so wie die gemeinsam verbrachte Zeit im Gesamten. Durch die Waldtage entsteht in kurzer Zeit eine enge Beziehung, und auch die Eindrücke wirken lange nach. „Sie erleben die Natur, lernen, wie man sich in der Natur verhält – und mit ihren Herausforderungen umgeht“, so Punz. „Das ist für sie eine große Selbstermächtigung und schweißt alle, die dabei waren, zusammen.“

 

Manuela Hoflehner