Die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen – das kann man mit Achtsamkeitsübungen im Wald. Während bei einem einfachen Waldspaziergang vieles an einem unbemerkt vorbeizieht, lenkt man mittels Übungen die Wahrnehmung gezielt auf eine Sache – oder auch auf einen Sinn. Was sonst verborgen bleibt, wird so zum Zentrum der Aufmerksamkeit.
Geführter Blindgang
Geht zu zweit in den Wald. Einer von euch führt den Weg. Der/die Andere bekommt eine Augenbinde und ist blind. Ihr nehmt euch an beiden Händen. Die wichtigste Regel: Es wird nicht gesprochen. Geht in langsamem Tempo durch den Wald und weicht dabei auch vom Weg ab. Wenn du führst, geht es darum, dem Partner verschiedene sensorische Erlebnisse zu präsentieren.
Das heißt:
– Führe ihn/sie an einen Baum und lass ihn/sie über die Rinde streifen.
– Finde Dinge, an denen man riechen kann (Pflanzen, Blattlaub).
– Finde Dinge zum Tasten (Moos, Steine)
Traue dich ruhig, auch kniffligere Dinge zu wagen. Wenn ihr einen Baumstumpf oder einen liegenden Baumstamm entdeckt, versuche deine/n PartnerIn darüber zu führen – das heißt, du musst schweigend nur mit deinen Händen, dem Händedruck, etc. kommunizieren, dass jetzt ein großer Schritt nach oben kommt.
Tauscht die Rollen nach einiger Zeit.
Spiel der Jahreszeiten
Für ein langfristiges Achtsamkeits-Ritual und auch als Motivation, öfter in den Wald zu gehen: Suche dir eine Spazierstrecke, die du gut und gerne erreichen kannst, von einer halben bis einer Stunde. Zu lang sollte sie nicht sein, sonst ist die Hemmschwelle oft zu hoch.
Gehe diesen Weg immer wieder zu unterschiedlichen Jahreszeiten und bei unterschiedlichem Wetter. Lass alle Ablenkungen (mp3-Player, Handy, schwere Gedanken) zuhause und konzentriere dich rein darauf, dir aufmerksam anzusehen, was sich im Laufe der Jahreszeit verändert.
Zeichnen
Nimm dir einen schönen Skizzenblock und einen Stift, den du gerne verwendest – Bleistift, Kuli, Marker, Kalligrafiestifte, alles ist möglich. Gehe in den Wald und wenn du einen Ort oder eine Pflanze gefunden hast, die dir gefallen, setz dich hin und zeichne es. Anfangs ist es leichter, mit einer einzigen Pflanze zu beginnen, später wird daraus vielleicht eine Landschaft.
Wenn wir etwas zeichnen, schauen wir es viel genauer an, als wenn wir nur daran vorbeigehen oder es fotografieren. Du beschäftigst dich dann vielleicht eine halbe Stunde mit dieser einzigen Sache und lernst sie wirklich kennen – die Form der Blätter, ab welcher Höhe aus einem Baumstamm Astverzweigungen kommen, etc.
Was du zeichnest, wird sich lange in dein Gedächtnis einprägen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie gut die Zeichnung am Ende ausschaut – vielmehr geht es um den geistigen „Dialog“, den du dabei aufbaust.
Auf Augenhöhe mit der Natur
Als Kinder legen wir uns oft ins Gras und beobachten, was da unten herumkreucht und –fleucht. Stundenlang können wir Eidechsen, Ameisen und Salamander zuschauen. Als Erwachsene haben wir das Gefühl, all diese Tiere gibt es schon gar nicht mehr in den Gärten. Nimm dir Zeit, die Welt wieder mit Kinderaugen zu betrachten – leg dich hin, ins Gartengras oder auf den Waldboden und schaue, was passiert.
Welches Kleingetier kommt vorbei? Der Anfang ist das Allerschwerste. Da packt uns die Ungeduld und wir wollen eigentlich gleich wieder aufstehen. Wenn du es schaffst, liegen zu bleiben und die innere Unruhe nicht Oberhand gewinnen zu lassen, wirst du merken, wie entspannt du mit der Zeit wirst – und wie viel sich auf dem augenscheinlich leblosen Boden tut.
Manuela Hoflehner