Der Tauschrausch ist für viele LinzerInnen bereits lieb gewordene Tradition nach Weihnachten. Am 7.1.2017 gibt es nicht nur die Möglichkeit, Dinge, die man nicht mehr braucht, gegen Nützlicheres einzutauschen. Außerdem wird in einer Diskussionsrunde über die Philosophie des Schenkens und Tauschens gesprochen.
Beim Tauschrausch steht wie in einem Kostnix-Laden „nicht der wohltätige Aspekt im Vordergrund, also das: Ich kann mir nix anderes leisten. Es geht vielmehr darum, Dinge möglichst lange zu nutzen“, erklärt Uli Gruber vom Kostnix-Laden in Ottensheim. Bücher, CDs, Spielsachen, die man selbst nicht mehr braucht, sollen so für jemand anders nutzbar gemacht werden. Es geht um einen Beitrag zum sparsamen Einsatz von Ressourcen und darum, die Nutzung von an sich intakten Dingen möglichst über die gesamte Lebensdauer zu gewährleisten.
Anti-These zu „Geiz ist geil“
Der Tauschrausch ist als Anti-These zur „Geiz ist geil“-Mentalität gedacht. Dinge sollen eine/n neue/n AbnehmerIn, einen neuen Verwendungszweck finden. Abgesehen davon steht der soziale Aspekt im Vordergrund. Tobias Plettenbacher vom Zeittausch-Netzwerk WIR GEMEINSAM: „In der Konsumgesellschaft, in der ich fast alles kaufen kann, ohne dabei großartig mit anderen in Beziehung zu treten, liegt die Kommunikation oft darnieder. Darunter leiden jedoch viele. Nicht nur in der Stadt, selbst Leuten am Land fehlt der Kontakt mit anderen.“
Soziales Experiment Tauschen
Beim Tauschen, sei es nun beim Tauschrausch, an Tauschtischen, in Zeittauschbörsen oder in Kostnix-Läden, spielt Kommunikation jedoch eine zentrale Rolle. „Tauschen schafft Beziehungen, Interaktion, Vernetzung und nicht selten neue Bekanntschaften bis hin zu Freundschaften“, sagt Tobias Plettenbacher. Der Tauschrausch ist ebenso wie Zeittauschbörsen als soziales Experiment zu sehen. „Es gibt kein Tauschen ohne Wertschätzung. Im Gegensatz zur Konsumwelt geht es hier nicht ohne Achtung und Respekt. Dies ist es aber auch gerade in den Speckgürteln und in den Ballungsräumen, was die Menschen so daran schätzen.“
Soziale Kompetenzen gefragt
Beim Tauschen sind viele soziale Kompetenzen gefragt, so Plettenbacher: „Beispielsweise haben viele verlernt, um Hilfe zu bitten. Es müssen genaue Abmachungen getroffen werden, Kooperation, Zuverlässigkeit und Vertrauen sind von Nöten. Andererseits finden Betroffene aber in Zeittauschbörsen, wo man eine Stunde Rasenmähen gegen eine Stunde Kinderbetreuung tauschen kann, Antworten auf persönliche Fragen wie: Wo liegen meine Fähigkeiten? Was kann ich gut? Was davon wird in der Gemeinschaft gebraucht?“
Leistung ohne direkte Gegenleistung
Mit zunehmendem Vertrauen in einer Gruppe tritt der Wert von Dingen und Dienstleistungen immer mehr in den Hintergrund. „In Vorarlberger Tauschkreisen, die seit 25 Jahren bestehen, wird die Hälfte der Leistungen ohne direkte Gegenleistung erbracht”, erzählt Plettenbacher. So sicher ist man, dass man etwas zurückbekommt. Dies ähnelt der ursprünglichen Mentalität vieler Naturvölker, die keine Schulden kennen: Denn wenn alle geben, ist es egal wieviel, dann wird es auch so funktionieren.