„Wer spielt ist frei und dabei auf das Innigste verbunden, verbunden mit dem Du, mit dem er spielt“, schreibt Gerald Hüther in seinem neuen Buch “Rettet das Spiel!”. Computerspiele sind demnach für den Gehirnforscher meist keine Spiele im echten Sinne des Wortes.
Hüther unterscheidet in seinem Buch „Rettet das Spiel!“ zwei Arten von Spielen: Das echte Spiel vom unechten Spiel. Bei Letzterem wird das Potenzial, der Spielraum schleichend vergiftet durch die zunehmende Kommerzialisierung, sowie die Gefahr, zur Sucht zu werden, deren Kontrolle entgleitet. Dies trifft auf viele Online- und Glücksspiele zu. „Die Gefahr von Missbrauch des Spiels droht dort, wo ökonomische Faktoren sich ins Spiel mischen und dessen Logik und Dynamik ihrem Diktat unterwerfen“, so Hüther. Zum Beispiel: Das Kind spielt „Angry Bird“ nicht, weil es dadurch Lebensfreude, Autonomie und Freiheit verspürt, sondern weil es vom krampfhaften Drang getrieben ist, den nächsten Level zu erreichen.
Greifen die drei Kriterien, die ein echtes Spiel auszeichnen, ineinander, dann gelingt das Spiel, öffnet sich Raum für Potenzialentfaltung:
1. Verbundenheit
Das Kind spielt mit der Puppe oder im Sandkasten. Es konstruiert seine eigene Welt. Dabei wird das Spielzeug zum Du. Das Kind baut eine Burg, spielt Szenen, die es aus der Familie kennt oder die es in der Gute-Nacht-Geschichte am Abend davor gehört hat, nach. So wie es das will. Dabei hat es Verbündete. Den Kasperl, die Spielfiguren, die Schaufel, den Sand. „Spielen ist wirkliches Leben; genau in dem Maße, in dem es Begegnungsräume öffnet. Wer wirklich spielen will, braucht Mitspieler“, so Hüther. Es ist zweckbefreit, braucht kein Drehbuch. Im Spiel ist alles möglich.
2. Freiheit
Die Puppe kann zaubern oder fliegen, der Lego-Flieger speit Feuer. Im Spiel ist alles möglich. Das Spielen öffnet Freiräume, das Kind kann aus einem Meer an Möglichkeiten schöpfen, seiner Fantasie freien Lauf lassen. Die Gesetze der Logik sind ausgeschaltet. Individualität, aber auch Zugehörigkeit machen uns erst zum Menschen. Freiheit erfahren wir aber nur dann, wenn wir uns auch verbunden fühlen können.
3. Darstellung
Im Spiel schlüpfen wir in Rollen, ahmen nach, kreieren Figuren, Bauwerke, tun so, als ob. Indem sich etwas abspielt, geben wir etwas von unserem Selbst preis, oft werden Gegenstände beseelt, Spielkameraden oder auch Gegenspieler. Jedenfalls projiziert das Kind etwas aus seinem Inneren in die Spielfiguren, stellt sich selbst dar.
Ein gutes Spielzeug ist eines, das dem Spielenden ein Du begegnen lässt, das nichts von ihm will und nichts fordert und auf keinen Nutzen festgelegt ist. Wir unterscheiden zudem fünf Spielweisen, nach denen sich die Welt der Spiele einordnen lässt: Geschicklichkeitsspiele, Wettkampfspiele, Kultspiele, Schauspiele und Glückspiele.
Gerald Hüther, Christoph Quarch: Rettet das Spiel! Weil das Leben mehr als Funktionieren ist. Carl Hanser Verlag. München, 2016.
Maria Zamut