Es ist ja ungerecht, dass wir viel öfter Ja sagen zu etwas, das wir im Grunde gar nicht wollen, und das Ja-Sagen zu dem, was uns wirklich guttut, darüber oftmals vergessen.

Ich würde ja so gerne, aber woher soll ich nur die Zeit dafür nehmen… – Kennst du das auch?

Dabei wissen wir im Grunde unseres Herzens ganz genau, dass es so wichtig für uns wäre, uns…

…- wieder mal einfach spontan mit Freunden zu treffen

…- in Ruhe ein Buch zu lesen

…- einen Blumenstrauß zu pflücken

…- ziellos durch eine fremde Stadt zu schlendern

…- mit dem/der PartnerIn Hand in Hand spazieren zu gehen

…- mit den Kindern eine Polsterschlacht zu machen

Aber erlauben wir uns das? Nein. Da ist es ja, dieses mächtige Wörtchen „Nein“. Wie leicht kommt es uns über die Lippen, wenn es darum geht, uns etwas zu vergönnen. Wir tun, schaffen, machen. Die täglichen Aufgaben nehmen kein Ende. Zu sagen, heute habe ich alles geschafft, was ich mir vorgenommen habe – gibt es das überhaupt? Ja, wenn ich realistische Vorstellungen davon habe, was machbar ist.

Die Illusion vom perfekten Leben

Doch meistens leben wir in der Illusion, dass sich doch alles ausgehen müsste, wenn wir uns nur besonders anstrengen: das perfekt gepflegte Heim mit Selbstversorger-Garten, die wundervolle Partnerschaft, in der alles ausgesprochen und heil ist, die wunderbar geratenen und überaus braven und erfolgreichen Kinder, für die wir alles tun, der uns total erfüllende Job, in dem wir maximal flexibel sind und ausreichend Geld verdienen, die wunderbare Beziehung zu vielen FreundInnen, die wir täglich pflegen, genauso wie zu unseren Eltern, Verwandten, NachbarInnen… Dann kommt noch dazu, dass wir täglich frisch und überaus gesund kochen, uns sportlich betätigen, uns kulturell und generell weiterbilden und und und.

Du merkst vermutlich schon beim Lesen, dass du entweder zu schmunzeln beginnst, weil diese Erwartungen komplett unrealistisch sind oder jetzt schon Stresssymptome zeigst, weil es ja wirklich so viel gibt, was du tun musst. Musst du? Nein. Ha, und hier haben wir wieder unser Wörtchen. In diesem Fall aber ist es positiv gemeint.

Die positive Wirkung von “Nein”

Ja ;-), Nein zu sagen, zu so vielem, wirkt sich positiv auf dein Leben aus. Denn erst, wenn wir filtern – und das müssen wir jeden Tag, weil die Aufgaben und die Angebote in unserem Leben schier unendlich sind – können wir uns Zeit nehmen für das, was uns wirklich wichtig ist. Und das müssen wir uns nicht erst durch übermäßigen Einsatz erarbeiten, á la „jetzt hab ich so viel getan/geleistet, da darf ich mir jetzt mal was gönnen, etwas nur für mich tun“. 

Ja sagen zu uns selbst, dem vertrauen, was wir spüren – das haben wir meistens nicht gelernt.  Wer funktioniert, ist beliebt, erfolgreich, angesehen. Auch das gibt uns vermeintlich ein gutes Gefühl, doch mit einem schalen Nachgeschmack und am Ende des Tages fallen wir mit zerfurchter Stirn völlig ausgelaugt ins Bett. Haben wir noch Zeit, unsere Kinder wahrzunehmen? Das, was sie wirklich bewegt, zu sehen? Was lehren wir ihnen? Wiederum, dass wir im Leben zu funktionieren haben. Obwohl wir selbst damit nicht glücklich sind. Wollen wir das wirklich?

Wie aber schaffen wir es, “Nein” zu sagen zu so vielem und “Ja” zu wenig, das uns aber wirklich erfüllt?

  • Übung. Übung. Übung. Und ein bisschen Mut. Anfangen bei kleinen Dingen, die uns nicht so wichtig sind. Und das Gefühl genießen, zu sich selbst zu stehen, anstatt ein schlechtes Gewissen zu haben.
  • Einen gesunden Egoismus entwickeln. Ja, ich schaue auf mich! Und weil ich das tue, kann ich auch auf meine Liebsten schauen. Und diesen vorleben, wie das geht.
  • Den Gedanken aufgeben, dass man alles schaffen kann. Kann man nicht, muss man nicht und will man ehrlich gesagt im Grunde auch gar nicht.
  • Aufhören, sich mit anderen zu vergleichen/messen. Scheinbar können andere alles, sind Wunderwuzzis, haben eine tolle Familie, ein schönes Haus, einen erfüllenden Job, wunderbare Kinder, eine super Beziehung, einen alterslosen Körper… Alles Fake!
  • Weniger ist mehr. Die Werbung/die Wirtschaft möchte uns zwar ständig etwas anderes einreden, doch in Wirklichkeit gibt es doch nichts Schöneres, als „die kleinen Dinge im Leben“: In der Wiese zu sitzen, und seinem Kind beim Spielen zuzusehen. Die nackten Zehen in einen eiskalten Bach stecken. Seine Katze bewusst streicheln und nicht nur schnell im Vorübergehen. Vor einem Bild stehen und sich komplett darin verlieren…
  • Schlendern statt rennen. Es gibt Zeiten, da wollen wir, da haben wir die Kraft, alles für ein Ziel einzusetzen. Gut so! Aber lassen wir es uns nicht zur Gewohnheit werden zu rennen, anstatt auch mal durchs Leben zu schlendern.
  • Neid und Missgunst von anderen an uns abprallen lassen. „Du lässt es dir aber gutgehen. Hast du nichts zu tun? Deine Büsche würden auch wieder mal geschnitten gehören! Dass du die Zeit hast zum Lesen… Ihr macht schon wieder einen Familienausflug – so schön möcht ich es auch einmal haben, aber dafür haben wir ja keine Zeit,…“ Was andere für wichtig halten, ist unwichtig.