Männer am Land gehen eher in Vater-Karenz als urbane Väter, in männerdominierten Branchen ist diese wenigere üblich als etwa in der Gastronomie oder im Gesundheitswesen. AK-Präsident Johann Kalliauer im Grünschnabel-Interview über das Kinderbetreuungsgeld Neu und die Möglichkeiten von Männern, in Väter-Karenz zu gehen.
Wie gehen Betriebe momentan um mit dem Wunsch der Väter, in Karenz zu gehen? Ist eine Veränderung in der Unternehmenskultur spürbar?
Die Frage von Väterkarenz ist vor allem ein gesellschaftliches Thema. Von der Selbstverständlichkeit, dass Väter in Karenz gehen – so wie es Mütter tun – sind wir noch weit entfernt. Es ist aber durchaus eine positive Veränderung spürbar. Aus der Studie „Wiedereinstiegsmonitoring“ wissen wir, dass sich die Väterbeteiligung an der Kinderauszeit im Zeitraum 2006 bis 2012 anteilsmäßig erhöht hat, die Dauer der Erwerbsunterbrechung für Kinderbetreuung aber zurückgegangen ist. Der Großteil der Väter nimmt lediglich Kinderauszeit im Ausmaß von bis zu drei Monaten in Anspruch.
Gibt es Betriebe, Branchen, Jobs, die in dieser Hinsicht aufgeschlossener sind bzw. örtliche Unterschiede: Stadt-Land?
Zuvor beschäftigte Oberösterreicher in Karenz kamen im Jahr 2012 zu 52 Prozent aus dem ländlichen Raum, rund 31 Prozent hatten ihren Wohnsitz in einem mittel besiedelten urbanen Gebiet und rund 17 Prozent im urbanen/städtischen Gebiet. Die Daten des „Wiedereinstiegsmonitorings“ zeigen, dass sich das Thema Väterkarenz in männerdominierten Branchen österreichweit schwieriger gestaltet. Höhere Anteile von Väterkarenz lassen sich in Oberösterreich beispielsweise in den Branchen Beherbergung und Gastronomie, Information und Kommunikation sowie im Gesundheits- und Sozialwesen feststellen. Der höhere Anteil in der Kinderauszeit in der Beherbergung und Gastronomie dürfte auf die starke Präsenz von Saisonarbeitsverhältnissen in dieser Branche zurückzuführen sein. Die Vermutung liegt nahe, dass beispielsweise saisonale Beschäftigungslücken hier für Kinderauszeiten genützt werden.
Kommt es dabei auch auf die Größe des Unternehmens an?
Ausfälle – egal ob wegen Väterkarenz oder aus anderen Gründen – sind in kleineren Betrieben klarerweise schwieriger zu kompensieren als in größeren. Größere Betriebe bieten eher Rahmenbedingungen, die längerfristigen (Wieder-)Einstiegen nach einer Karenz förderlich sind.
Was sollten Väter, die in Karenz gehen wollen, im Umgang mit dem Arbeitgeber beachten?
Wichtig ist, dass sie sich über die rechtliche Situation im Vorhinein bei der Arbeiterkammer erkundigen. Da geht es zum Beispiel um Mitteilungsfristen und den in diesem Zusammenhang stehenden Kündigungsschutz.
Sind Fälle bekannt, wo Männer im Nachhinein, nach der Karenzzeit, Nachteile im Job hatten, degradiert, gemobbt wurden?
Zum Glück haben wir in jüngster Vergangenheit nur einen solchen Fall bearbeitet. Der Grund, warum es nicht mehr sind, ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der, dass Männer sich erst gar nicht in Karenz gehen trauen, wenn sie den Eindruck haben, dass dies in ihrem Betrieb ungerne gesehen wird. Oft suchen sich aber auch Männer, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, andere Jobs bei familienfreundlicheren Unternehmen und gehen freiwillig, wenn sich Familie und Beruf in der bisherigen Firma nicht vereinbaren lassen oder wenn sie deswegen im Betrieb diskriminiert werden. Sie gehen dann also einfach, ohne noch – salopp formuliert – „einen Aufstand zu machen“. Gute Unternehmen haben deswegen längst erkannt, dass sie familienfreundliche Arbeitsbedingungen anbieten müssen, um ihre qualifizierten Beschäftigten zu halten.
Welche Anreize braucht es aus Ihrer Sicht, damit mehr Männer in Karenz gehen?
Genügend Studien belegen, wie wichtig der enge Kontakt der Eltern in der ersten Zeit für das Kind ist. Die gesamte Familie profitiert also davon, wenn auch Männer mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Die rechtlichen Voraussetzungen für Väterkarenz bestehen, aber was es dringend braucht, sind noch mehr gesellschaftspolitisches Bewusstsein und breite Akzeptanz für dieses Thema. Meine Vision ist es, dass Väterkarenz genauso selbstverständlich wird wie eine Mütterkarenz. Ganz entscheidend ist dabei aber auch, dass endlich die gravierenden Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen geschlossen werden. Denn oft scheitert es aus finanziellen Gründen an einer Karenz des Vaters. Meistens ist sein Einkommen deutlich höher als das seiner Partnerin, sodass die Familie darauf angewiesen ist.
Daniela Christl