Immer mehr Kinder sind übergewichtig. Diätologin Jutta Diesenreither erzählt, wie sich die Essensgewohnheiten in den Familien ändern und was Kinder für einen guten Start in den Tag brauchen.
Wie gesund sind Kinder heutzutage?
JD: „Schon bei den 3- bis 6-Jährigen sind ein Fünftel der Kinder übergewichtig. Das steigert sich mit dem Alter, die 10- bis 14-Jährigen haben den höchsten Anteil.“
Woran liegt das?
JD: „Wir haben einen zu hohen Zuckeranteil in der Ernährung. Der Hauptgrund dafür sind gezuckerte Getränke. Zwischendurch trinken Kinder pausenlos gezuckerte Getränke. Dazu gibt es süße Hauptspeisen und Süßigkeiten. Oft liegt der tägliche Zuckerkonsum bei 200% über den Empfehlungen.“
Sollen Kinder also gar keine Fruchtsäfte trinken?
JD: „Man muss sich den Zuckeranteil in diesen Säften ansehen. Ein Glas Apfelsaft, selbst wenn es aufgespritzt ist, hat 6 Würfelzucker. Ein neunjähriges Kind soll maximal neun Würfelzucker pro Tag essen. Das heißt mit einem Glas Saft und einem Marmeladebrot ist dieses Limit schon erreicht. Hauptsächlich sollten Kinder Wasser und ungesüßten Tee trinken. An sich ist ein Glas Saft pro Tag für ein normalgewichtiges Kind in Ordnung, aber es sollte zur Mahlzeit dazu getrunken werden – und es sollte bei einem Glas bleiben.“
Welche Rolle spielt dabei die Schuljause?
JD: „Viele Eltern sind sich bewusst, dass Obst und Gemüse in die Schuljause hinein gehört. Allerdings sind oft auch noch die Milchschnitte oder die Schulmaus im Jausensackerl. Wir Diätologen fordern für eine Schuljause dunkles Gebäck oder Brot. Es muss auf jeden Fall ein Vollkorn-Anteil darin sein.“
Braucht es davor ein „kaiserliches Frühstück“?
JD: „Ohne Frühstück sind die Kinder in der Schule nicht leistungsfähig. Gehen sie mit leerem Magen in die Schule, verlieren sie im Grunde schon die ersten beiden Stunden des Tages. Kinder können in der Leber noch keine Reserven bilden, deshalb ist ein Frühstück – wenn auch ein kleines – unheimlich wichtig, genauso wie eine Schuljause. Damit sie den Tag gut starten können, brauchen Kinder zumindest ein Getränk, z.B. gemixtes Gemüse.“
Ist es bei Erwachsenen ähnlich?
JD: „Bei Erwachsenen ist es nicht so einschneidend, wenn sie ohne Frühstück in die Arbeit gehen. Sie haben die Reserven in der Leber und können sich daher auch ohne Frühstück konzentrieren.“
Welche gesellschaftliche Tendenz sehen Sie in der Ernährung?
JD: „Wir erziehen uns eine Knabber-Gesellschaft heran. Es gibt bereits Baby-taugliches Knabbergebäck wie Hirsebällchen oder Maisstangen. Wenn die Kinder älter werden, wechseln sie von den Hirsebällchen zu Chips. Sie gewöhnen es sich an, ständig dahinzuessen. Es wäre aber wichtig, sich an die fixen Mahlzeiten zu halten. Das sind bei einem normalen Kind ein Frühstück, eine Schuljause, ein Mittagessen, am Nachmittag ein Stück Obst und ein Abendessen. Dazwischen soll man es schaffen, 2,5 Stunden nichts zu essen, damit man erkennt, was eine Mahlzeit ist, und auch nichts Gezuckertes trinken. Sonst kommt es – wie aktuell – in den Familien zu einer totalen Auflockerung des Essens-Situation. Die Kinder kommen nach Hause und essen alleine. Gemeinsame Mahlzeiten gibt es oft nicht mehr.“
Manuela Hoflehner