Erika Wieser, Bild: Privat

Das Kinderzimmer quillt über vor Spielzeug. Auch im Wohnzimmer stolpert man immer wieder über den Plastik-Truck, die Barbie-Puppen oder Lego-Klötze. Und wenn zu Weihnachten nicht mindestens fünf Päckchen voller Spielzeug unterm Baum liegen und der Osterhase nicht auch noch neue Spielsachen bringt, ist der Hausfriede mit Sicherheit für Wochen gestört. Was davon wirklich nötig ist, damit Kinder glücklich aufwachsen und in ihrer Kindheit das lernen, was sie zu reifen Menschen und wertvollen Teilen der Gemeinschaft macht, weiß Sonderkindergärtnerin Erika Wieser.

Gewissermaßen spiegelt unser Spielzeug die Zeit wieder, in der wir leben. Fernseher und Computer funktionieren auf Knopfdruck, und auch die Puppen geben auf Knopfdruck einen von zehn Sätzen wieder, der in ihnen eingespeichert ist. Statt langlebigem Holzspielzeug wird vieles nur mehr aus Plastik in China produziert – von Kindern, für Kinder. Hauptsache billig, damit viel davon gekauft werden kann und der Drang nach Neuem, der in Kindern wie in jedem Menschen steckt, befriedigt wird.

Mit dieser Art von Spielzeug wird Kindern jedoch auch ein Wertebewusstsein und eine Mentalität mitgegeben, das sie in ihr Leben als Erwachsene tragen, weiß Erika Wieser. Die 51-Jährige ist ausgebildete Sonderkindergärtnerin, Waldorfpädagogin und begeisterte Imkerin. „Holzspielzeug kann repariert werden,“ erklärt sie. „Plastikspielzeug muss meist weggeworfen werden. Kinder lernen dadurch, dass alles, was nicht mehr perfekt ist, uninteressant ist.“ So lernen die Kinder auch, auf die Dinge, die sie haben, aufzupassen und mit ihnen sorgsam umzugehen.

Als Kontrast zur heutigen „verspielten“ Welt sieht Erika Wieser dem Umgang mit Spiel- und Freizeit, wie er in der Generation der Groß- und Urgroßeltern herrschte. Diese mussten mehr im Haushalt und oft auch auf dem Bauernhof oder in der Landwirtschaft mitarbeiten. „Das war für den Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg ungeheuer wichtig“, betont sie. „Derzeit lernen die Kinder diese praktischen Tätigkeiten oft nicht mehr.“ Dadurch bestehe die Gefahr, dass uns Krisen in Zukunft viel stärker treffen.

„Eltern müssen die Kinder nicht mit Geschenken überhäufen“, so Wieser. „Die eigentliche Aufgabe der Eltern ist es, die Kinder zu stärken und sie dadurch auf ein selbstbestimmtes Leben vorzubereiten.“

Vortag am 31.1.2014 in Wolfern

Vortag am 31.1.2014, Begrüßung durch Stefan Kaineder

Kinder müssen nicht bespielt werden

Oft stellen sich Erwachsene auf die Stufe der Kinder und machen mit ihnen „Action“. Die Kinder werden „beschäftigt“ und „bespielt“. Das erfordert zum einen von den Eltern enorme zeitliche Ressourcen und auch Energie, zum anderen verlernen die Kinder dadurch, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Einem Kind die Freiheit zu geben, Langweile zu empfinden und aus dieser Langweile die eigenen Interessen auszuforschen und ihnen nachzugehen, kann für Kinder ein großes Geschenk sein.

Gleichzeitig ergibt sich dadurch die Möglichkeit, dass Kinder von realen Vorbildern lernen können – Erwachsenen, die einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen. Dabei kann man die Kinder teilhaben lassen und ihnen anbieten, mitzumachen. Ganz nach ihrem eigenen Willen können sie dann eine zeitlang dabei sein, und dann wieder selbständig spielen gehen. Gerade beim Mithelfen in der Küche sind Kinder oft begeistert dabei, und lernen dabei viel für ihr späteres Leben. Im Kindergarten, in dem Erika Wieser arbeitet, werden daher auch keine elektronischen Waagen verwendet. Stattdessen nimmt sie eine Waage mit Gewichten, da diese die Zusammenhänge zwischen Menge und Gewicht besser verdeutlicht. Generell sind elektrische Geräte für Kinder oft zu schnell – mit Handgeräten kommen sie leichter zurecht.

Auch beim Kochen von Suppen oder den beliebten Österreichischen süßen Hauptspeisen sind Kinder mit Begeisterung dabei – für sie ist immer das besonders spannend, was die Erwachsenen machen. Das ist ein Grund, warum sich kleine Mädchen so gerne schminken und erwachsen wie die Mama aussehen wollen. Beim Zuschneiden von Gemüse lernen sie, mit Messern umzugehen und entwickeln ein Gespür für die einzelnen Nahrungsmittel – welche Gemüsesorten gerade Saison haben, wie sie sich anfühlen und unterschiedlich schmecken, je nachdem, ob sie roh oder gekocht sind. „Es gibt heutzutage so viele Fertigprodukte. Die Kinder können dabei keine Zusammenhänge erkennen, zwischen dem, was im Packerl ist, und dem Endprodukt“, schüttelt Erika Wieser den Kopf. „Wie sollen Kinder da wissen, woraus Grießbrei besteht, wenn sie in der Küche immer nur Fertiggrießbrei stehen?“

 

Für jedes Alter das richtige Spielzeug

Kinder entdecken spielerisch die Welt. Gerade in der ersten Lebensphase bringen sie aber schon vieles, das sie dazu brauchen, selbst mit. Ein zusätzlicher Stimulus von außen ist dabei selten notwendig. Im ersten Jahr lernen die Kinder vor allem sich selbst kennen. In dieser Zeit brauchen sie überhaupt kein Spielzeug – und äußern auch selbst natürlich keinen Wunsch danach.

„Ab etwa vier Monaten können Kinder einfaches Spielzeug, z.B ein selbstgemachtes Seidenpupperl bekommen, später dann auch Holzrasseln“, erläutert Erika Wieser. „In der Küche können sie z.B. die Küchenkasterl ausräumen und mit Schneebesen oder Kochlöffeln hantieren. Wichtig ist es, dass in dieser Zeit die Grobmotorik geschult wird.“ Das ist die Basis, damit sich später die Feinmotorik gut entwickeln kann.

Von 2,5 bis 5 Jahren entwickelt sich die Phantasie der Kinder. Sie verkleiden sich gerne. Ganz alltägliche Gegenstände, wie Tische, Sesseln oder Decken werden durch die kindliche Phantasie verwandelt.

Ab 5 Jahren beginnen Kinder Pläne zu machen, wie sich Dinge entwickeln. Sie können sich einen ganzen Tag mit den Vorbereitungen für einen Zirkus beschäftigen und kommen dann oft gar nicht mehr dazu Zirkus zu spielen.

Mit 10 Jahren wird es oft herausfordernd für die Eltern. Die Kinder sehen im Umkreis, dass ihre Freunde eine Playstation haben, oder eine Wii, und dementsprechende Wünsche kommen auf. Diese Spiele werden jedoch häufig alleine gespielt. Besser sind hier Zauberkästen, Zirkusspiele, Springschnüre oder Detektivspiele – gerade beim Planen einer Zaubershow kann man sich im Nachhinein freuen, seinem „Publikum“ (der Familie, Freunden) aus eigenem Antrieb etwas gezeigt zu haben und die „Früchte der Arbeit“ davontragen zu können.

Es macht aber keinen Sinn, den Kindern Barbiepuppen oder Game Boys generell zu verbieten. Meist gibt es diese Spielsachen bei Freundinnen oder Freunden zu Hause, und dort können sie diese Dinge auch probieren und kennenlernen.

 

Zu viel des Spielzeugs?

Der Wunsch und die Neugier nach Neuem ist immer da. Damit Kinder verstehen, dass sie dieser Neugier nicht mit mehr Konsum, sondern durch das Entdecken von neuen Aspekten im Leben entgegenkommen können, braucht es belastbare Vorbilder. Wenn die Eltern im Jahresrhythmus das Handy wechseln und immer das neueste iPad brauchen, werden sich auch die Kinder immer das neueste Spielzeug wünschen.

Weniger ist daher auch hier mehr. Auch um der Ordnung willen – denn wenn überall Spielzeug herumliegt und das Kind damit überfordert ist, Ordnung zu halten, ist das vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass es zu viel Spielzeug hat. Und dann ist Zeit für den Frühjahrsputz.

 

Filmtipp Die „unsichtbare“ Gefahr – Warum Plastikspielzeug die Gesundheit schädigt

 

Manuela Hoflehner