Ein Mann in Österreich zu sein bedeutet etwas anderes als in der Türkei oder in Italien. Wer in ein anderes Land zieht, tut sich manchmal schwer damit, sich an andere Männlichkeitsbilder zu gewöhnen. Sabri Opak, Obmann des Begegnungszentrums Arcobaleno, setzt sich als Interkultureller Coach mit Männlichkeitsvorstellungen verschiedenster Kulturen auseinander und lädt dazu ein, das eigene Männlichkeitsbild zu reflektieren.
Warum ist es wichtig, sich mit interkulturellen Männlichkeitsbildern zu beschäftigen?
Im eigenen Heimatland lernt man einen Code, was Mann-Sein bedeutet. Dieser Code ist je nach Land unterschiedlich. Der Code, den ich als Einheimischer im Iran, in der Türkei oder in Afghanistan lerne, funktioniert in dem jeweiligen Land sehr gut. Wende ich diesen Code jedoch in Österreich an, geht er nach hinten los. Wer nun in ein anderes Land zieht, ist neben verschiedenen kulturellen Unterschieden auch mit einem anderen Männlichkeitsbild konfrontiert – was einen in Konflikt mit sich selbst bringt und verarbeitet werden muss.
Wie unterscheiden sich diese Codes?
In anderen Ländern herrschen oft eindimensionale Männlichkeitsvorstellung. Das bedeutet, es gibt nur ein Bild, was es heißt, ein Mann zu sein. Besonders im extremistischen und fundamentalistischen Bereich wird diese Einstellung propagiert. Oft bedeutet es eine aggressive Herangehensweise, Männlichkeit spürbar zu machen.
Wir sollten lernen, über diese Thematik zu reden – wie gehe ich im Ursprungsland damit um, und wie gehe ich in Österreich damit um? Wenn Männer nach Österreich kommen und sich dem österreichischen Code anpassen, wirken sie in ihrem Ursprungsland oft nicht mehr wie ein Mann. Davor haben sie Angst. Sie finden den Zugang nicht mehr. Das braucht viel Sensibilisierungsarbeit.
Genauso gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung; wenn eine Frau sich schminkt oder Stöckelschuhe trägt, ist das unadressiert. Man darf sich nicht persönlich angesprochen fühlen. Aber in manchen Kulturen fühlt man sich adressiert. Die Frage ist, wie wir Männer dabei unterstützen können, mit diesem neuen Lebensstil klarzukommen.
In Österreich gehen viele Männer in Karenz. Wenn jemand richtig „männlich“ erzogen worden ist, verwirrt ihn das. Auch Kinder erleben diese Unterschiede – wenn der eigene Vater den Urtyp des Mannes verkörpert, sie aber gleichzeitig Männer erleben, die ein vielschichtiges Männerbild leben. Dann brauchen sie Orientierung, um das einzuordnen.
Welche Ziele hast du als Interkultureller Coach bei diesem Thema?
Ich möchte die Menschen zur Reflexion bewegen. Sie sollen sich in Workshops im Austausch mit anderen damit auseinandersetzen, was Mann-Sein für sie bedeutet und Denkanstöße bekommen, wie es gelebt werden kann. Wie kommt es an, wenn ich als Mann eine sanfte Rhetorik verwende? Wie gehe ich damit um, auch bezogen auf mein Umfeld? Es gibt in Österreich genauso diese Unterschiede: Lebe ich auf dem Land, wird dort ein anderes Männerbild gelebt als im urbanen Alltag. Die Herausforderung für mich ist, wie ich damit umgehe – und wie ich dabei mein eigenes Individuum schütze.
Es ist wichtig, jungen Menschen klar zu machen, dass Mann-Sein – genauso wie Frau-Sein – ein ständiger Prozess ist. Mann-Sein ist vieldimensional. Es ist im Fluss und entwickelt sich ständig weiter.