In Vergleichen steigen wir oft schlecht aus – oder andere. Ein „besser/schlechter als“ kann Beziehungen blockieren und ein Vergleich ist oft nur eine Momentaufnahme und ein Orientieren an Äußerlichkeiten. In den Erziehungsfragen reflektiert Katharina Maderthaner über den Vergleich und seine Nebenwirkungen.

Etwas vergleichen, der Vergleich. Im Duden wird das umschrieben mit den Formulierungen prüfend nebeneinanderhalten, gegeneinander abwägen, sich mit jemandem messen, etwas in Beziehung zueinander setzen. Wie tief ist das in uns verwurzelt! Mich selbst, Wohnsituati-onen oder Talente prüfend neben anderen zu betrachten. Aber auch meine Kräfte zu mes-sen: „Also das hätte ich nicht so diplomatisch gelöst.“ Sogar auf den Blick auf unsere Kinder, dehnt sich das Vergleichen gerne aus: „Echt, dein Sohn kann in dem Alter schon Skifahren?“

Während meine Schwester sehr sonnigen Gemüts ist, als Kind leichter Kontakte knüpfte als ich und vieles leichter nehmen konnte, war ich ein eher introvertiertes, stilles und ernstes Kind. Die Klassenlehrerin meiner Schwester übernahm einmal eine Unterrichtseinheit in meiner Klasse. Während sie ihre Sachen herrichtete, plauderte sie mit uns Kindern. An mich gerichtet sagte sie, eigentlich in einem wohlwollenden Ton: „Deine Schwester hat immer ein Lachen im Gesicht und du schaust so ernst. Mach doch auch mal ein fröhlicheres Gesicht!“

Vielleicht war das für sie Smalltalk oder ein aufmunternd gemeintes Scherzchen. Für mich war dieser Vergleich verletzend. Für mein Wesen vor der Klasse diskreditiert zu werden, als wäre das eine Kind, die eine Wesensart, liebenswürdiger oder vorzuziehen. Vergleiche heben oft ein Kind mit gewissen angenehmen Eigenschaften oder wünschenswerten Kompetenzen hervor, während ein anderes mindestens beiläufig als „schwieriger“ oder weniger kompetent dargestellt wird. Das verletzt, übersieht Bemühen und Vielseitigkeit und formt auch das Selbstbild eines Kindes mit.

Uns in Beziehung zueinander setzen
„Der Mensch wird am Du zum Ich.“, sagte Philosoph Martin Buber. Nur dadurch, dass wir in Beziehung zu anderen Menschen und zur Welt gehen, erhalten wir Rückmeldung über unsere Person, lernen wir uns besser kennen. Vergleiche mit anderen Menschen bieten insofern die Gelegenheit, uns in der Welt zu positionieren. Das kann uns helfen, unsere tragenden Werte besser zu erkennen und unser Repertoire an Problemlösungskompetenzen zu erwei-tern. Ein Fallstrick des Vergleichens ist jedoch das Bewerten. Sehr rasch bewegen wir uns in einem „besser/schlechter als“. Da können sich Neid, vielleicht sogar Missgunst, ein Gefühl des Nicht-Genügens einstellen. Oder auch ein Gefühl der Überlegenheit.

Der Ausschnitt des Bildes
Der letzte Geburtstag in unserer Familie fiel in eine Zeit, in der wir einige zusätzliche Aufga-ben zu stemmen hatten. Die Kräfte waren knapp und so entschieden wir, niemanden einzuladen. So konnten wir uns alles so legen, wie es uns gerade passte und das Aufräumen spar-ten wir uns auch. Für die Gratulation deckten wir den Tisch nett und das Geburtstagsfoto verschickten wir an unsere Lieben. Da kam eine Rückmeldung, wie harmonisch und schön die Situation wirkt. Ich musste lachen, denn rundherum herrschte im Wohnzimmer Chaos – nur den Geburtstagstisch hatten wir hergerichtet. Aber die anderen sahen eben nur einen Ausschnitt des Bildes.

So verhält es sich häufig, wenn wir andere Menschen erleben. Da wirkt die Reaktion eines Papas auf ein herausforderndes Verhalten des Kindes sehr gelassen, und wir werten uns da-für ab, es nicht so gut zu schaffen. Aber die Male, wo auch er nach alten Mustern reagiert, sehen wir nicht. Auch die Male, wo wir selbst Fortschritte gemacht haben, übersehen wir leicht. Oder wir denken, ein Kind provoziert uns aus purer Boshaftigkeit, weil wir gerade den Blick noch nicht auf die dahinterstehenden Bedürfnisse richten können.

Ja, wir Menschen sind Beziehungswesen. In Beziehung treten wir nicht durch ein „besser/schlechter als“ – dabei orientieren wir uns an Äußerlichkeiten. Viel näher bringen uns ein ehrliches Interesse aneinander, der Blick auf Fortschritte, Bemühungen, Besonderheiten und die jeweiligen Umstände, die unser Tun und Sein mitprägen.

Für mehr Freude im Leben mit Kindern!
Katharina Maderthaner, MSc (Counseling)
katharina.maderthaner@gmx.net

Foto: Pixabay/Braxmeier

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