Vom Asperl-Essen als Ritual zum Auftakt der Adventzeit und was die Früchte, die erst nach dem ersten Frost genießbar sind, uns über das Leben lehren können, berichtet Waldpädagogin Eva Glattau, die für den Grünschnabel die Kinder bei den Waldwochen im Sommer betreut. 

In meiner Kindheit gab es einen besonderen Baum in unserem Obstgarten – einen Asperlbaum. Er war nicht besonders groß oder prachtvoll, aber für uns Kinder hatte er etwas Magisches. Jahr für Jahr trug er seine kleinen, runzeligen Früchte, die wir im Herbst neugierig betrachteten. Doch meine Oma warnte uns immer: „Die Asperln kann man erst nach dem ersten Frost essen, sonst schmecken sie wie Leder und ziehen dir das Gesicht zusammen.“

Der erste Frost war für uns Kinder ein Ereignis, auf das wir regelrecht warteten. Wir suchten nach glitzerndem Reif auf den Grashalmen oder zarten Eiskristallen an den Fenstern. Doch die Wartezeit auf die reifen Früchte war noch nicht vorbei. Die Asperln müssen „nachreifen“, erklärte uns unsere Oma, wenn sie die Früchte in einer flachen Holzschale erntete. „Sie müssen butterweich werden, dann sind sie richtig gut.“

Am ersten Adventsonntag war es dann endlich soweit. Es war Tradition in unserer Familie, die Asperln gemeinsam zu essen – ein Ritual, das den Beginn der Adventzeit markierte. Die Früchte lagen in einer Schale, die immer nur für diesen Anlass herausgeholt wurde. Sie sahen nicht besonders schön aus – schrumpelig und braun – aber der Duft, der von ihnen ausging, war unvergleichlich. Eine Mischung aus Süße, Herbst und ein wenig Erde.

Während wir die Asperln aßen, erzählte uns unsere Großmutter Geschichten von früher. Von kalten Wintern und einfachen Festen und davon, wie ihre Mutter sie lehrte, die Natur zu schätzen. „Die Asperln sind wie das Leben“, sagte Oma einmal. „Sie brauchen Geduld und ein bisschen Kälte, um ihre wahre Süße zu entfalten“.

Dieses Ritual hat mich geprägt. Auch heute noch suche ich Asperln auf dem Markt. Doch keine schmeckt so gut wie damals, als uns unsere Großmutter mit ihren Geschichten auf die Weihnachtszeit einstimmte. 

Eva Glattau ist Waldpädagogin und Obstbaumeisterin und als jüngstes Kind einer Bauernfamilie am Rande des Eferdinger Beckens aufgewachsen. Für den Grünschnabel bringt Eva Kindern bei der Waldwoche und Ferienaktionen im Sommer, aber auch bei Kindergeburtstagen den Wald und Zusammenhänge in der Natur spielerisch näher.