Immer nur Mensch ärgere dich nicht und Monopoly? Wer die eigene Kreativität und die der Kinder beflügeln will, kann statt dem klassischen Brettspiel auch familientaugliche Fantasy-Rollenspiele ausprobieren.

Hat man nur ein Blatt Papier, Bleistift und Würfel zur Verfügung, braucht es Einfallsreichtum, um daraus ein Spiel für die ganze Familie zu entwickeln. Genau das geschieht beim Pen-and-Paper-Rollenspiel: Ein Spielleiter erzählt eine Geschichte bzw. gibt Situationen vor, und die Spieler beschreiben die Aktionen ihrer Helden, entschlüsseln Rätsel und stehen vor moralischen Entscheidungen, ob sie einen Konflikt gewaltfrei lösen möchten – oder nicht. Das Rollenspiel galt lange als Nerd-Beschäftigung – ist jedoch so facettenreich, dass Kinder wie Erwachsene davon stark profitieren.

Im Rollenspiel denkt sich jeder Spieler seinen Helden aus – so kann man entscheiden, ob man in die Rolle eines Heilers schlüpfen will, der seine Gruppe aufpäppelt, oder einer Kriegerin, die ihre Freunde verteidigt. Jeder Charakter hat Stärken und Schwächen, so dass die Gruppe ihre Abenteuer nur durch Kooperation bewältigen kann – eine Alternative zum Jeder gegen Jeden, das oft bei Brettspielen zum Zug kommt. Die Spieler lernen im Rollenspiel, in einer Gruppe zusammen zu arbeiten, schulen ihre Kreativität und erleben abseits des Bildschirms Abenteuer, die sonst nur Buch- und Filmhelden vorbehalten sind.
Traditionelle Rollenspiele haben oft ein komplexes Regelwerk, durch das sich der Spielleiter erst arbeiten muss – und auch die Geschichte muss er konzipieren. Sie erfordern dadurch mehr Zeitaufwand als Brettspiele. Hat man die Grundlagen jedoch begriffen, ist man in seinem Spiel freier: Im Grunde steht den Spielern die ganze Welt offen.

Fantasy-Rollenspiele für Kinder sind bunt illustriert. Im Spiel kann die ganze Familie in eine Heldenrolle schlüpfen und gemeinsam Konflikte und Rätsel lösen.

Fantasy-Rollenspiele für Kinder sind bunt illustriert. Im Spiel kann die ganze Familie in eine Heldenrolle schlüpfen und gemeinsam Konflikte und Rätsel lösen.


Skandinavien als Vorreiter für Familien-Rollenspiele

Um Rollenspiele auch für Kinder tauglich zu machen, werden zunehmen Familienrollenspiele entwickelt. Vorreiter sind dabei die skandinavischen Länder. Kindertaugliche Rollenspiele haben ein einfaches Regelwerk, fantasievolle Szenarien und bunte Illustrationen. Den Boden bereitet hat in Finnland das Rollenspiel „Age of Tempest“. In einem traditionellen Fantasy-Szenario kämpfen die Spieler als Schweinehirten und Fuchswesen gegen einen Imperator. Das Spiel legt besonderen Wert auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis und die Einbindung von nicht-weißen Helden. Die Regeln sind so angelegt, dass man das Spiel ohne Vorbereitung spielen kann.

Ebenfalls familientauglich ist „Mouse Guard“. Es basiert auf den Comics von David Petersen. Hierbei ziehen Mäuse mit Schwertern durch Wälder und kämpfen um ihr Überleben. Das Spiel setzt auf Kooperation und das Erleben einer gemeinsamen Geschichte. „Mouse Guard ist kein Kinderrollenspiel“, sagt Spielentwickler Luke Crane. „Aber es ist ein Spiel, in dem Eltern gemeinsam mit ihren Kindern von Füchsen gefressen werden können und dabei sogar noch etwas über sich selbst lernen.“

In eine andere Richtung geht „Golden Sky Stories“ – ein Spiel aus Japan, das komplett ohne Waffen und den Kampf-Aspekt auskommt. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Tieren mit magischen Fähigkeiten und versuchen, Probleme zu lösen und Freundschaften zu verstärken. Denn gerade der kämpferische Aspekt verschreckt viele Eltern und erzeugt Unsicherheiten, ob Rollenspiele für Kinder geeignet sind. Hierbei hat der Spielleiter jedoch alles in der Hand: Er entscheidet, ob die Helden ein neues Level erreichen, weil sie einen Konflikt durch Kampf gelöst haben oder durch geschicktes Verhandeln. So heißt es auch hier: Famtasie ist gefragt.

 

Weitere Lektüre:

Rollenspieler und Vater Markus Sauerbrey über die Kindertauglichkeit von Rollenspielen: Teilzeithelden
(Wer sich näher mit dem Thema beschäftigen will und Ideen sammeln möchte, wie man es am besten angeht, sollte sich auch die Kommentare unter dem Artikel durchlesen.)

“Würfelschwert und Federrüstung: Sozialpädagogischer Einsatz von ,Pen and Paper’-Rollenspielen in der späten Kindheit”, Nils Hüttinger