Wo die Wirtschaft drüber stehen, fallen Kultur und Ästhetik flach – davon ist Tarek Leitner in seinem 200-Seiten starken Buch überzeugt.
„Stark“ ist das Buch allemal. Leitner führt die LeserInnen quer durch Österreich und zeigt auf, wo die Schönheit der Landschaft und Architektur mehr und mehr verkommt, oder sogar schon verflogen ist. Auf der einen Seite leiden laut Leitner die Städte unter einer Fragmentierung der Lebensbereiche: Es gebe Geschäftsquartiere, Diskontzonen und Latte-Macchiato-Zonen, während sich außerhalb ganze Einkaufscenter-Areale nebeneinander stapeln. Dadurch verbringen wir mehr Zeit auf der Straße und in so genannten Transiträumen. Auf dem Weg von der Arbeit ins Zuhause oder wenn wir in den Urlaub fahren, ginge es nur noch darum, schnell anzukommen. Das „Wie“ des Reisens gehe verloren. Umfahrungsstraßen zerfurchen die Landschaft und sorgen gleichzeitig dafür, dass die Dörfer aussterben, da sie nicht mehr wahrgenommen werden.
Den Städten gegenüber stellt Leitner die ländlichen Regionen, die mittlerweile mehr von der Schönheit leben würden, die wir auf sie projizieren, statt dem, was von ihnen überlebt hat. „Wir sehen schöne Bilder in Lifestyle-Magazinen, aber nicht mehr, was vor unserem Fenster rund um unseren Lebensort vor sich geht“, betont der Autor.
Die Schuld gibt Leitner vielen Faktoren: Häuslbauern, Investoren, Immobilienentwicklern. Insbesondere durch letztere hätte die Architektur keine Chance, eine Stadt zu verschönern. Ganz nach dem Motto, viele Köche verderben den Brei, werden Wohnblocks nach einheitlichen Standards gebaut, damit sich so viele Beteiligte wie möglich mit dem Resultat abfinden könnten. Schönheit und Ästhetik entstehen jedoch erst durch Individualität.
Die Art, wie wir mit unserem Umfeld umgehen, macht uns krank, so Leitner. Ihn verwundert es nicht, dass es Menschen, die in Krankenhäusern arbeiten, so schlecht gehe. Besonders für die PatientInnen seien die niedrigen, langen Gänge und sterilen Krankenhaus-Blocks keine Hilfe dabei, wieder gesund zu werden. Das Allernatürlichste ist in ihnen oft nicht vorhanden: Tageslicht.
„Keine andere Entscheidung hat so nachhaltigen Einfluss auf unsere Lebensumgebung, wie die von Immobilienentwicklern, Bauherren, Architekten, Diskontketten und Straßen- und sonstigen Infrastruktur-Errichtern“, so Leitner. Er plädiert für einen neuen Blick auf unser Umfeld und auf das, was wir – und die Verantwortungsträger um uns herum – mit unserem Lebensraum anfangen. Denn auch Architektur altert, und sie soll es in Würde tun. Leitner nimmt sich den alten Bauernhof zum Beispiel, der auch nach Jahrzehnten noch Charme ausstrahlt. Ein modernes Haus, aus dem die Dämmwolle herausschaut, tue dies nicht.
Tarek Leitners Buch ist ein Augenöffner auch für jene, die sich weniger mit Architektur befassen und bietet eine solide Basis, sich mit einem Thema zu befassen, das in Österreich gerne schon von Klein auf unter den Teppich gekehrt wird. Zum Nachdenken und Weiterspinnen – und schließlich auch zum Umsetzen.
Tarek Leitner:
“Mut zur Schönheit. Streitschrift gegen die Verschandelung Österreichs”
208 Seiten, Brandstätter Verlag
Manuela Hoflehner