Zum Muttertag ein Luftballon – eine Instant-Schocktherapie für keifende Mütter
Eines Tages geht für Emilia ein Wunsch in Erfüllung: Mama verwandelt sich in einen Ballon und hört auf zu schreien. Was recht harmlos im Kleinformat daher segelt, ist bei genauer Betrachtung eine böse doppelbödige Geschichte, die Müttern, denen ab und zu der Kragen platzt, mit gar nicht so feiner Klinge, den Spiegel vorhält.
Mütter sind auch nur Menschen
Wenn alles zu viel wird, am Rande des Nervenzusammenbruchs, und sprichwörtlich die Luft ausgeht, dann ist die Metapher des lautlos schwebenden Ballons in vollendeter Form ein erleichterndes und tröstliches Bild. Das Mädchen der Geschichte trägt ihren schönen roten Luftballon fürsorglich im Park spazieren, verteidigt ihn heldenhaft gegen beißende Hunde, spielt übermütig und ausgelassen mit ihm Hüpfball, lässt sich um ihn von einem anderen Mädchen beneiden, das an der Hand seiner Mama spazieren geht.
Im Leben kann man nicht alles haben, eine hübsche Mama und einen hübschen Ballon, das denken – sehr erwachsen – beide Mädchen am Nachhauseweg. Doch unsere Hauptperson dürfte, dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, den Tausch „Schreiende Mama gegen mucksmäuschenstillen Luftballon“ keineswegs bereuen.
Mutter-Tochter-Konflikt
Uns mitlesenden Müttern geht ein Licht auf: Unsere Kinder wollen nichts lieber, als mit uns unbeschwerten Spaß haben. Das Leben genießen. Immer geht das nicht, unbeherrscht-hysterisches Herumschreien ist aber nie hilfreich und schadet der Beziehung. Töchter wollen auf ihre Mütter stolz sein können. Souverän, ruhig und gelassen, über allem stehend, schwebend wie der Ballon, sind wir Herrin der Lage und unseres Lebens. Ein Vorbild für unsere Töchter.
Das fröhlich anmutende Büchlein mit den schockierenden Bildern der zornig lauthals brüllenden Mutter hält also doch noch eine versöhnliche Moral für uns bereit: Nimm´s leicht, hab Freude am Leben mit deinem Kind!
Gezeichnet und geschrieben von ISOL, Gewinnerin des international höchsten Preises für Kinder- und Jugendliteratur, dem Astrid Lindgren Memorial Award ALMA 2013, der alljährlich auf der Kinderbuchmesse in Bologna verliehen wird.
Mit lockeren frech hingezeichneten Strichen und großzügig gekritzelten Farbflächen fängt ISOL die Entgleisung der Mutter gekonnt ein. Ebenso transportiert sie die grandiose Fähigkeit der Tochter, mit der schwierigen Situation kreativ und fantasievoll umzugehen.
In Argentinien genießt „El Globo“ längst Kultstatus.
Der Ballon. Von ISOL. Ab 4 J. 2014 bei Jungbrunnen, 978-3-7026-5856-4, 12,95 Euro
Für all jene, die den Muttertag am liebsten ignorieren, sei es wegen seiner zweifelhaften Geschichte oder weil man das Tamtam verabscheut, ein ideales unaufdringliches kleines Geschenk …
TIPP: Auch der deutschsprachige Raum hat seinen Bilderbuchklassiker der schreienden Mutter!
„Heute Morgen hat meine Mutter so geschrien, dass ich auseinandergeflogen bin.“ So startet die Geschichte der süßen Pinguinmama und ihrem noch süßeren Pinguinkind, das sie dann mühsam und liebevoll wieder Stück für Stück zusammennäht, bevor die abschließende Entschuldigung die beiden wieder in ruhigere Gewässer abdampfen lässt. Ein ebenso auch im kleineren Format erschienenes Büchlein, das in keiner Mutterbibliothek fehlen darf.
Schreimutter. Von Jutta Bauer, 2010 im Verlag Beltz & Gelberg. 978-3-407-79264-8, 13,30 Euro oder 978-3-407-76118-7, 6,20 Euro
Veronika Mayer-Miedl