Der Puzzleteil in der Hand scheint nirgendwo Platz zu haben, die kleine Schwester ist viel zu interessiert an meinem Kinderlexikon und die Oma kann nun doch nicht zu Besuch kommen. Kinder erleben täglich zahllose Situationen, die in ihnen Gefühle von Traurigkeit, Wut oder Angst auslösen. Genauso wie sie vor Freude ausgelassen tanzen, erleben und zeigen sie auch negative Emotionen, mal intensiver, mal nicht so überwältigend. Je kleiner das Kind, desto untrennbarer ist es diese Emotion jetzt gerade.

Kinder dürfen im geschützten Raum der Familie eine breite Palette an Gefühlen ausdrücken. Sie erfahren dabei, wie Emotionen entstehen, sich anfühlen, wie das Umfeld reagiert. Diesen Vorteil können wir uns bewusst machen und nutzen, im geschützten Rahmen unserer Familie Antworten geben zu können auf den Gefühlsausdruck des Kindes. Bereits zwischen neuntem und 18. Lebensmonat besteht eine sensible Phase dafür, sich in den Grundzügen selbst regulieren zu lernen. Die Strategien, die das Kind durch unser Trösten und Da-Sein lernt, werden zu seinem Grundrepertoire an emotionaler Regulation.

Geh weg, aber bleib da!
Nicht immer können wir die Gründe der Wut, Angst oder Traurigkeit nachvollziehen. Darauf achtend, wieviel Nähe das Kind jetzt verträgt und braucht, ist unser Präsentsein der erste Baustein, das Kind zu begleiten.

Beschreibe, was ist. „Du wolltest jetzt gerade das Buch haben und Emma auch.“ Das bringt dir Zeit, dich zu orientieren und von deinen eigenen Gefühlen hin zum Erleben deines Kindes zu gelangen. Denn als erstes springt in dir selbst vielleicht auch Wut an. Was mag in deinem Kind vorgehen? Was ist sein Bedürfnis hinter dem Gefühl?

Benenne das vermutete Gefühl: „Ärgert dich das jetzt?“ Die Frageform lässt Bestätigung oder Verneinung durch dein Kind zu. Es lernt so einzuordnen, was gerade los ist und kann das mit der Zeit verinnerlichen. Einfach da sein und halten, Zeit geben und nicht abwerten oder das Gefühl ausreden. Erst wenn die starke Emotion abgeebbt ist, ist das Kind für Argumente und Lösungen zugänglich.

Zurück in einem stabilen Modus können wir die Situation altersgemäß mit dem Kind reflektieren. Das hilft bei der Verarbeitung und das Kind lernt hinzuspüren, wie sich ein Gefühl anbahnt. So kann es sich mit der Zeit passender regulieren und früher aus der Emotion aussteigen. Als Eltern sind wir nicht unbedingt verantwortlich, für jede schwierige Situation eine Lösung zu finden. Wir dürfen dem Kind auch zutrauen, seine Wut und Traurigkeit in unserer liebevollen Gegenwart auszuhalten.

Wir sind selbst gelebtes Vorbild: Wie wir mit unseren Gefühlen umgehen, ist ein prägendes Modell für unsere Kinder. Etwa könntest du sagen: „Ich bin jetzt gerade wirklich wütend. Ich brauche einen Moment, um mich zu beruhigen.“ Sie dürfen erleben: Es ist okay, wütend zu sein und es gibt Wege, mit Wut umzugehen, ohne jemand anderen zu verletzen.

Die Art, wie es seine Gefühle verarbeitet, wird sich über die Zeit mit unserer Begleitung verändern, da das Kind reifen kann. Es lernt mit unserer anhaltenden Übersetzungshilfe seine Gefühle zu benennen und kann so dahin kommen, sich selbst differenzierter wahrzunehmen und zu reagieren. Susanne Mierau vom Blog „Geborgen wachsen“ schreibt dazu: „Wir müssen keine Kinderflüsterer sein, sondern Kinderversteher und ganz oft Gefühlsübersetzer.“

 

Für mehr Freude im Leben mit Kindern!
Katharina Maderthaner, MSc (Counseling)
katharina.maderthaner@gmx.net