„Sind Frauen für die kleinen Kinder und Männer für die Politik zuständig?“, will Wolfgang Nells neunjähriger Sohn wissen. Ein Papa-Blog über so manch Ungereimtheit unserer gesellschaftlichen Realität, die uns Kinder-Fragen plötzlich vor Augen führen.
In den letzten Tagen werde ich von meinem älteren Sohn immer wieder über politische Parteien ausgefragt. Über die Landschaft verteilt lächeln uns wieder die SpitzenkandidatInnen der werbenden Parteien entgegen. Es scheint, als ob so mancher Spitzenkandidat sein Lächeln für sich behält, um mit staatsmahnendem Ernst jene in kurzen Aussagen konstatierten Kompetenzen als unverzichtbares Maß aller Dinge anzuzeigen.
Natürlich reagieren meine Kinder auf diese Bilder, auf den Wahlkampf an sich und auf die gesendeten Botschaften und Spötteleien der Parteien. Die SpitzenkandidatInnen werden schnell beim Namen gerufen. Mein Sohn: „Wen wählst du, Papa? Was muss ein Politiker können? Ich entgegne: „Es gibt auch Politikerinnen!“ Mein Sohn: „Ich kenn bei uns nur eine, …die anderen Politiker sind doch Männer, außer die Merkel in Deutschland!“
Wie soll ich ihm widersprechen? Ich zähle ihm einige Frauen in unserer gegenwärtigen Regierung auf. Viele sind es nicht, die ganz vorne stehen. Irgendwie nehmen Kinder Erwachsenengespräche wahr. Sie hören Worte und Sätze, die für sie zumeist ohne Zusammenhang, unter uns Eltern ausgetauscht werden. Ich habe den Eindruck, dass sich in letzter Zeit viele dieser Sätze bei meinem älteren Sohn zu einem Gedankensystem zusammenweben, denn wie könnte ich sonst folgende Feststellung aus seinem Mund verstehen: „Weißt du, was interessant ist, Papa! Im Kindergarten hatten wir unter den PädagogInnen nur einen Mann und in der oberösterreichischen Landesregierung gibt es neben den Männern nur zwei Frauen. Warum ist das so? Sind die Frauen mehr für die kleinen Kinder zuständig?“
Nein, die Frauen sind nicht alleine für die kleinen Kinder zuständig! Wenn ab morgen weniger Frauen, sondern größtenteils Männer den Beruf eines Kindergartenpädagogen ergreifen würden und viele Frauen in allen politischen Parteien ein politisches Mandatar wahrnehmen würden, würde sich dieses Verhältnis – und die gesellschaftlichen Verhältnisse im Allgemeinen – verändern. Frauen sind tolle Politikerinnen und Männer sind wundervolle Pädagogen.
Ich wünsche mir viele Frauen in der Politik und viele Männer in pädagogischen Berufen. Eine größere Mischung der Geschlechter in allen Berufsgruppen würde eine dynamische Reflexion verschiedener Perspektiven ermöglichen und fördern.
Im politischen Diskurs der Frage, inwieweit wir als Gesellschaft vor Krieg und Elend flüchtende Menschen unterstützen sollen, haben in meinem Umfeld besonders viele Frauen in diesen Menschen Kinder, Mütter und Väter gesehen, die unter unmenschlichen Umständen versuchen, ihre geliebten Kinder heil in Sicherheit zu bringen. Magen-Darm-Infektionen, Mittelohrentzündungen, Blasenentzündungen, ein gebrochener Arm sind schon im sicheren Alltag unserer mitteleuropäischen Geschäftigkeit ein großes Übel, doch auf der Flucht mit Kindern…?
Andererseits habe ich wenige Männer in meiner Umgebung und in den politischen Reden über die Erkrankungen unter den Flüchtlingskindern und der Ohnmacht ihrer Eltern sprechen hören. Bloß mit einer tief empfundenen Empathie für die heilsuchenden Kinder, Frauen und Männer lassen sich keine Lösungen für ein gutes Zusammenleben in einer diversen Gesellschaft entwickeln, doch die Perspektive auf das Menschliche zügelt das Ausrufen und mitunter Brüllen einfacher Lösungen.
Kinder haben viel zu sagen. Besonders in ihren Fragen durchleuchten sie Ungereimtheiten in unseren politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten. Das Fazit meines Gespräches mit meinem Sohn widme ich allen Frauen, die kompetent, mutig und nachhaltig eine pädagogische und politische Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder übernehmen. Danke!
Wolfgang Nell (45), akademischer Entwickler Sozialer Verantwortung, schreibt diesen Blog als Vater von drei Buben. Er kümmert sich zurzeit hauptsächlich um die Kinder im Alter von 3, 6 und 9 Jahren, während seine Frau Vollzeit als Ärztin arbeitet. Für Grünschnabel reflektiert er regelmäßig Erlebnisse aus seiner Familienwelt mit dem Lauf der „großen“ Welt, mit politischen und alltäglichen Geschehnissen.