Kinder stellen oft ganz unvermittelt Sinnfragen, bei denen es Erwachsenen schwer fällt, eine adäquate Antwort zu finden. Schon bei einem einfachen herbstlichen Spaziergang kommen solche Fragen auf.
Wir genießen diese warmen Herbsttage. Durch die Stadt wandelnd sehe ich bei dieser anhaltenden Wärme ein in vielen Gesichtern gezeichnetes Lächeln. Vor einigen Tagen haben wir uns am Nachmittag zum Hauptplatz aufgemacht, um das vorerst letzte Eis der Sommersaison zu genießen. An den Hauswänden legten sich die Strahlen des späten Sommers. Auf dem Weg ist meinem ältesten Sohn etwas an den Häusern aufgefallen. Möglicherweise war es ein purer Zufall, doch an einigen Fenstern waren die Gesichter älterer Mitmenschen zu erkennen, wie sie ihre Gesichter in die Strahlen der wärmenden Sonne legten.
Vor vielen Jahren hatte uns ein Lehrer vor einer Wienwoche den Rat mitgegeben, doch inmitten der ausgelassenen Freude dieser Zeit die Augen in den Straßen nach oben zu richten. Von diesen Fenstern aus würden viele Menschen in den Jahren zunehmender Immobilität die Welt aus dieser Perspektive wahrnehmen.
Aus meiner Zivildienstzeit als Rettungssanitäter weiß ich vom Strahlen der mit Falten geschmückten Augen, wenn sich in den kurzen Zeiten der Fahrten ein Gespräch entfalten konnte. Ich ersinne mich noch einiger Worte von bewegten Erzählungen über das Leben. Wir jungen Menschen haben mit unserem Zuhören und unseren Fragen und gemeinsamen Lachen das Leben ab und zu beschleunigt.
An diesem Nachmittag spürte ich um mich herum das Treiben der Stadt. Uns treibt es auch – zum Eisstand. Vor dem Eisstand, meine kleine Plaudertasche war während des Weges in ein ungewohntes Schweigen verfallen, stellte mir mein ältester Sohn diese schwere Frage: “Wie ist es, wenn man alt wird?”
Ich bin vorerst stumm geblieben. Auf diese existentielle Fragen der Kinder fällt es mir zunehmend schwerer, eine adäquate Antwort zu geben, oder zumindest einen Reigen immer neuer Fragen zu eröffnen. Zum einen bin ich mit drei Kindern oft zu müde, um den nötigen Raum des gegenseitigen Fragens zu eröffnen, um gemeinsam eine Antwort zu entwickeln und zum anderen spüre ich vermehrt, dass einige Fragen ihren wesentlichen Sinn darin offenbaren, mich als ständige Frage durchs Leben zu begleiten. Sie berühren immer wieder und wieder mein Herz.
Diese Frage hat mich sehr berührt und wird mich auch weiterhin berühren. Sie schärft meinen Blick auf die vielen im Alter seienden Menschen mit ihren alten und neuen Bedürfnissen. Wie lebt es sich als 80-jährige Frau in unserer Stadt? Ich sehe aktive Omas und Opas mit ihren Enkelkindern die Zeit verbringen und aktive Männer und Frauen, die sportlich mit ihren Fahrrädern durch die Stadt flitzen, aber ich sehe mit der Frage meines Sohnes auch durch die Mauern vieler Häuser, wo es zwischen den Wänden stiller, langsamer und mitunter einsamer geworden ist.
Wolfgang Nell (44), akademischer Entwickler Sozialer Verantwortung, schreibt diesen Blog als Vater von drei Buben. Er kümmert sich zurzeit hauptsächlich um die Kinder im Alter von 2, 5 und 8 Jahren, während seine Frau Vollzeit als Ärztin arbeitet. Für Grünschnabel reflektiert er regelmäßig Erlebnisse aus seiner Familienwelt mit dem Lauf der „großen“ Welt, mit politischen und alltäglichen Geschehnissen.