Wolfgang Nell belauscht ein Gespräch zweier Eltern über die vielen geplanten Aktivitäten ihrer Kinder in den Ferien, bekommt kurzfristig die Panik – bis er sich auf das kreative Potenzial besinnt, das die Langeweile birgt.
Endlich Ferien. In wenigen Wochen ist es soweit. Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und die Kinder blicken erwartungsvoll in die Zukunft abenteuerbringender Sommerzeit. Vor einigen Tagen habe ich meinen Sohn von der Schule abgeholt. Ich war ein wenig zu früh dran, wartete vor dem Schultor und belauschte das Gespräch zweier Elternteile, die ebenfalls auf ihre Lieblinge warteten.
Vater: Und, hast du deine Tochter auch an der Kinderuni angemeldet?
Mutter: Sowieso, aber die wirklich coolen Sachen waren schon ausgebucht.
V: Anna macht heuer einen Kletterkurs und dann anschließend einen Schwimmkurs. Ich hoffe, heuer klappt es besser, voriges Jahr hat sie echt nichts beim Kurs gelernt. Zumindest haben wir heuer die Saisonkarte für das Parkbad gekauft.
M: Wir auch. Das rentiert sich dann allemal. Ich hoffe, das Wetter bleibt schön. Bei Schlechtwetter muss ich mir etwas einfallen lassen.
V: Wir haben Benjamin bei diesem Cartoon-Workshop angemeldet.
M: Übrigens, in Wien gibt es ein interessantes Sommerprogramm für Kinder in den Museen.
V: In S. gibt es einen Theaterworkshop.
M: Hey, dort sind wir auch. Aber ganz ehrlich, ab August ist Schluss mit dem Müßiggang, da gibt’s die tägliche Lernstunde, sonst sind wir im Herbst wieder im Rückstand.
Dieses Gespräch währte einige Minuten. Schön langsam verspürte ich einen kleinen Kloß in meinem Hals. Die Kinderuni konnte ich vergessen, da habe ich wohl die Anmeldefristen versäumt. Von einem Theaterworkshop habe ich nichts gelesen und natürlich wäre ein Schwimmkurs für die Kinder sehr förderlich und das Klettern ist ja ohnehin eine sensationelle Übung für Körper, Geist und Koordination. Lerneinheiten habe ich auch nicht eingeplant, immerhin sind ja Ferien, …oder?
Ich ertappe mich dabei, mittels Smartphone einen Schwimmkurs für fortgeschrittene Anfänger zu suchen, als mein Sohn durch die Schulpforte tritt.
Gemeinsam schlendern wir zu Wohnung.
Ich: Was erwartest du dir von den Ferien? (Ich lege in meine Stimme einen eher gelangweilten Unterton, um mich nicht des Ausfragens verdächtig zu machen.)
Mein Sohn: Was soll ich von den Ferien erwarten?
I: Freust du dich auf die Ferien?
S: Was soll denn diese Frage, …natürlich.
I: Was willst du an den Ferien genießen?
S: Du Papa, ich verstehe deine Frage nicht.
I: Ich will fragen, wie du die Ferien genießen willst (ganz ehrlich, die beiden Erwachsenen haben mich ganz nervös gemacht…)?
S: Ganz einfach, wie man halt die Ferien genießt, ein paar Bücher lesen, schwimmen, ein paar Knacker grillen, DKT spielen, lang schlafen und vielleicht finden wir heuer einmal Eierschwammerl im Wald. Übrigens, im Kuddelmuddel gibt es einen coolen Cartoon-Workshop!
Ach, ich stelle mir die Ferien ja genau so vor: Täglich soll eine Wurst am Ende eines Holzstock baumelnd über der Glut eines Lagerfeuers gegrillt werden, sollen Berge bestiegen und hügelige Landschaften mit dem Rad durchquert werden, die Füße vom klaren Wasser eisiger Gebirgsseen umspült werden.
Aber nun ist es ja auch so, dass neben aller romantisierender, sommerlicher Begehrlichkeiten und neben den schulranzenschwingenden SchülerInnen den meisten Eltern schon seit Monaten bewusst ist, dass mit dem Beginn der Ferienzeit die staatliche Kinderbetreuung für neun Wochen beendet ist.
Meinen Kindern wünsche ich jedenfalls eine erholsame Zeit und für ihre kreative Entwicklung eine große Portion Langeweile.
Wolfgang Nell (45), akademischer Entwickler Sozialer Verantwortung, schreibt diesen Blog als Vater von drei Buben. Er kümmert sich zurzeit hauptsächlich um die Kinder im Alter von 2, 5 und 8 Jahren, während seine Frau Vollzeit als Ärztin arbeitet. Für Grünschnabel reflektiert er regelmäßig Erlebnisse aus seiner Familienwelt mit dem Lauf der „großen“ Welt, mit politischen und alltäglichen Geschehnissen.