„In welche Kurse geht dein Kind?“, unterhalten sich zwei Mamas auf dem Spielplatz. „Am Montag geht er in Englisch, am Dienstag zum Schwimmen und am Freitag zum Fußball.“ Auch die andere Familie scheint einen ähnlich dichten Zeitplan zu haben. Für einen kurzen Moment spürt Katharina Maderthaner, Autorin dieser Erziehungsfragen, einen Anflug von Unwohlsein in sich hochkommen: Sollten ihre Kinder vielleicht auch irgendwelche Kurse besuchen?
Doch ich kann dieses Gefühl gut wieder loslassen: Nein, ich bin sicher, Kinder im Kindergarten- und jungen Schulalter brauchen einen anderen Entwicklungsfreiraum, als ihn ein stark strukturiertes Freizeitangebot bietet.
Erfahren und Lernen am eigenen Leib
Kinder brauchen echte Erfahrungen, ein Erfassen mit allen Sinnen aus eigenem Antrieb. Sie lernen daraus viel tiefgehender als durch Erfahrungen aus zweiter Hand, wie etwa ein medial aufbereitetes Thema.
Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster erinnert in mehreren Schriften daran, dass Kindern Körperkompetenz oder soziale Fähigkeiten nicht von außen beigebracht werden können: „Das Fundament der kindlichen Entwicklung beruht vielmehr auf Erfahrungslernen. Und zwar selbst, aus eigenem Antrieb und nach eigenem Plan.“
Ein sicherer Rahmen für selbsttätiges Lernen
Zu einer entwicklungsfreundlichen Umgebung zählt einerseits, dass sich für Kinder Gelegenheiten zum Bearbeiten gerade aktueller Entwicklungsaufgaben finden. So beschreiben auch ReformpädagogInnen wie Maria Montessori einen gut vorbereiteten Rahmen.
Ebenso braucht es eine sichere Bindung zu den begleitenden Bezugspersonen, seien das die Eltern oder PädagogInnen. Dr. Renz-Polster beschreibt einen solchen Rahmen folgendermaßen: „Er besteht aus einer Welt, die das Kind als vertraut und sicher erleben kann: hier lebe ich mit Menschen, denen ich etwas bedeute, und die gut und verlässlich für mich sorgen. Hier komme ich nicht in Not. Er besteht aber auch aus der zweiten Zutat, die Kinder unbedingt brauchen: der Gelegenheit wirksam zu sein, sich Herausforderungen zu stellen, sich mit seinen Kräften an der Welt zu bewähren.“
Der natürlichste Lern- und Erfahrungsraum
Die Natur bietet von vornherein eine anregungs- und abwechslungsreiche Kulisse, in der Kinder mit allen Sinnen begreifen können. Für jede Entwicklungsstufe sind die passenden Herausforderungen dabei, um wieder ein Stück über sich selbst hinaus zu wachsen. In der Natur finden Kinder vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, es ist nicht schon vieles vorgegeben, sondern darf von den Kindern selbst mit Leben gefüllt werden. Draußen können sich Kinder viel deutlicher als mit der Welt und den natürlichen Abläufen und Zusammenhängen verbunden erfahren.
Eine besondere Qualität bekommt diese freie Entdeckungs- und Erfahrungszeit in der Natur, wenn sie achtsam begleitet wird. In einer Art und Weise, die sich auf Entwicklungsbedürfnisse besinnt und in der sich die Erwachsenen so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig einschalten.
In einem Rahmen wie diesem kann ein Kind selbsttätig sein, sich selbst als wirksam und kompetent erleben. Erst durch die Möglichkeit, sich etwas selbst zu erarbeiten, ist Wissen im wahrsten Sinne des Wortes inkorporiert, verkörpert.
Für mehr Freude im Leben mit Kindern!
Katharina Maderthaner, MSc (Counseling)
katharina.maderthaner@gmx.net