Online-Schulunterricht, Musikstunden per Zoom, tratschen mit den FreundInnen am Handy – schon Kinder kommunizieren momentan notgedrungen mehr über digitale Medien als sonst üblich. Wenn wir Eltern nicht genau auf die Dosierung achten, ist die Gefahr des unkontrollierten Abdriftens in digitale Welten groß.

Man muss sich nicht um jedes Kind Sorgen machen aufgrund der Corona-Pandemie und der tief greifenden Veränderungen, die sie im Leben der meisten jungen Menschen mit sich bringt. Psychotherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger empfiehlt: „Man sollte wachsam sein als Eltern und sich immer wieder Frage stellen: Zeigt mein Kind geändertes Verhalten? Wirkt es aggressiv oder zieht es sich zurück?“

Langweilig, eintönig, uninteressant, sinnlos und vor allem demotivierend finden manche Kinder und Jugendliche das Distance-Learning, mit dem sie in der Pandemie nun schon seit einem Jahr konfrontiert sind. Zeigt doch die Corona-Krise ganz deutlich, dass die Schule als Ort der sozialen Interaktion unter Gleichaltrigen mindestens genauso wichtig ist wie als Ort des Lernens.

Viele Kinder wenden sich angesichts eintönigen Schulunterrichts oder mangels Sport und anderer Freizeitaktivitäten verstärkt den digitalen Unterhaltungsmöglichkeiten zu. Dies können zum Einen PC-Spiele wie Minecraft, Fornite, World of Warcraft sein oder aber exzessives Youtube-Videos schauen. Andere wiederum sind verstärkt (bis hin zu obsessiv) auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, Snapchat, Facebook aktiv.  

Auf Dauer erfordert die stundenlange Beschäftigung am Computer von den Kindern höchste Konzentration, macht sie müde bis hin zu aggressiv, unkonzentriert und reizbar. Vor allem aber ziehen sich Kinder und Jugendliche immer mehr aus ihrem (analogen) Leben und den realen Beziehungen in ihre digitale Blase zurück – und vereinsamen dort.

Obsessive Social-Media-Nutzung: „Ich kenne hier den Fall einer 15-Jährigen, die nur noch online ist. Sie wirkt irgendwie happy, aber auch schnippisch und vor allem sehr angespannt“, erzählt Martina Leibovici-Mühlberger. Das Mädchen hat alle Spiegel in seinem Zimmer umgedreht. Sie postet viele (optimierte) Bilder von sich auf den sozialen Plattformen. Hier herrscht das Diktat der Schönheit und Perfektion, Likes und Aufmerksamkeit gibt es für perfektes Aussehen.

“Die Folge ist ein völlig verzerrtes Selbst-Bild, jedes Kilo zu viel am Körper wird kritisch beäugt”, analysiert die Psychotherapeutin, “die Frisur hat perfekt zu sein”. Ein Pickel im Gesicht kann zur Tragödie werden. Der Bezug zur Wirklichkeit verschwimmt. Das kann rasch in Essstörungen, Körperbildstörungen und vor allem in eine über-kritische, rein auf das Äußere fixierte Selbst-Wahrnehmung münden.

„Ich kenne Mädchen, die wollen nicht mehr zur Schule gehen, weil sie in der Corona-Zeit ein wenig zugenommen haben. Sie haben Angst, dass das in der Schule jemandem auffallen könnte und auf Social Media darüber geschrieben wird“, erzählt Martina Leibovici-Mühlberger. „Die sozialen Medien bringen ein hohes Maß an Unverbindlichkeit mit sich. Gleichzeitig werden so viel Emotionen, Träume und Fantasie hinein gelegt. Kaltgestellt zu werden auf Social Media wird als unglaubliche Kränkung erlebt“, erzählt die Psychotherapeutin.

Computer-Spiel-Marathons: Fornite, Minecraft, FIFA 
Gerade wenn der Online-Unterricht eintönig und langweilig vor sich hin plätschert, sind viele Kinder versucht, quasi daneben (oft auf einem zweiten Bildschirm und von den Eltern unbemerkt) sich Interessanterem zu widmen. Es wird gezockt. Ob das Shooterspiel Fortnite, Minecraft (hier werden Welten erschaffen und gestaltet), die Fußballsimulation FIFA oder Online Autorennen bestreiten… – all das gibt vielen Heranwachsenden wesentlich mehr Kick als Deutsch und Englisch am Bildschirm zu büffeln.

Das eigentliche Problem kann jedoch sein, dass Online-Spiele in eine Art Sucht oder Obsession ausarten. Die Kinder interessieren sich für nichts anderes mehr und legen alles daran, möglichst viel Zeit im Spiel zu verbringen, um auf ein neues Level zu kommen, weiter zu bauen oder hintern den Mitspielern nicht zurück zu liegen.

Wir müssen unsere Kinder zum verantwortungsvollen Computer- und Online-Konsum erziehen. Dafür muss es klare Regeln geben, die konsequent durchgesetzt werden müssen. Sinnvoll ist es zudem, dem Kind alternative Möglichkeiten der Freizeitgestaltung aufzuzeigen.

Hier ein paar Tipps zum Umgang mit computerspielenden Kindern:

Interesse signalisieren: Eltern sollten wissen, was ihre Kinder am PC so treiben. Es schafft ein Gefühl der Verbundenheit, wenn Mama weiß, was auf Fortnite gerade Sache ist und Papa sich interessiert zeigt, woran der Junior auf Minecraft mit seinen Freunden gemeinsam baut.

Medienzeit vereinbaren: Zwei Stunden pro Woche, 30 Minuten am Tag, wie auch immer. Wichtig ist, auf die Einhaltung der Regeln mit aller Härte zu pochen – auch auf die Gefahr hin, sich unbeliebt zu machen.    

Medienkonsum konsequent begrenzen: Und es bleibt bei den vereinbarten 30 Minuten Spielen pro Tag oder eine Stunde fernsehen und eine halbe Stunde Handyzeit – komme was wolle. Und daran ändern auch Tobsuchtsanfälle, Charme-Offensiven und die tollsten Noten in der Schule nichts.  

Alternativen anbieten: Sport, Ausflug, gemeinsam basteln oder handwerken, da ist Fantasie und Einfühlungsvermögen gefragt. Welche Vorlieben hat mein Kind, mit welchen Vorschlägen kann ich es hinter dem digitalen Ofen seines PC-Spiels hervorlocken?