Schon im Baby-Alter können Eltern fördern, dass sich der Bewegungsapparat ihres Nachwuchses gut entwickelt. (Foto: Dennis Knorr / pixelio.de)

Schon im Baby-Alter können Eltern fördern, dass sich der Bewegungsapparat ihres Nachwuchses gut entwickelt. (Foto: Dennis Knorr / pixelio.de)

Mit bewusster Babypflege legen Eltern den Grundstein für einen gesunden Bewegungsapparat. Zwar dauern dadurch manche alltäglichen Handlungen länger, langfristig entwickelt dadurch jedoch ein besseres Körpergefühl und eine engere Eltern-Kind-Bindung.

Ich lade dich zu einem Bewegungsexperiment ein: Lege dich flach auf den Rücken und setze dich dann auf. Hast du dich dabei mit der Kraft deiner Bauchmuskulatur aufgesetzt? Dich quasi hochgeklappt?

Probiere eine andere Variante zum Vergleich: Stelle in Rückenlage deine Beine auf. Lasse ein Bein sanft zur Seite fallen. Strecke deinen Arm auf derselben Seite aus und drehe deinen Kopf auch in diese Richtung. Lege den anderen Arm zum Handgelenk des Arms, der am Boden ausgestreckt ist. Dein Körper dreht sich ganz von selbst auf die Seite. Stütze dich mit dem oberen Arm auf Schulterhöhe am Boden ab und drücke dich hoch. Mit minimalem Kraftaufwand kommst du so aus dem Liegen ins Sitzen.

Das ist eine der Übungen, mit der uns Liane Emmersberger, Krankenschwester und Mitbe-gründerin des artgerecht-Projekts, im Grundkurs Kinästhetik Infant Handling am eigenen Körper wiederzuentdecken half, wie Bewegungen natürlich und fließend verlaufen. Die Ressourcen des Körpers nutzen, angeborenen Bewegungsabläufen folgen und sich so schonend zu bewegen – das sind Ziele der Kinästhetik, die vor allem in der Pflege Einsatz findet. Daraus leiten sich auch Grundsätze für einen achtsamen Umgang mit Babys und Kindern ab: das Kinästhetik Infant Handling (KIH).

Zurück zu den Wurzeln
Physiologische Bewegungsmuster wiederzuentdecken bedeutet, dass wir uns im Laufe des Lebens „falsche“ Bewegungen aneignen und dass eine natürliche Bewegungsfähigkeit bereits da war. Ein Baby entwickelt seine Bewegungskompetenzen in der Regel ganz von selbst schrittweise als physiologische Bewegung. In seinem Tempo wird es von der Rücken- in die Bauchlage kommen, sich bald wieder zurückrollen, in den Vierfüßerstand gehen, sich über die Seite aufsetzen, aufstehen und schließlich frei laufen. Wenn es diese Entwicklung machen darf, ohne zu früh in eine Position gebracht zu werden, die es noch nicht von selbst einnehmen kann, stärkt es durch viele Zwischenschritte auf diesem Weg seine Muskulatur und bewegt sich achtsam. Ein Grundstein für einen gesunden Bewegungsapparat ist gelegt.

Auch jedes Berührt- und Bewegt-Werden gibt dem Baby Rückmeldung über seinen Körper. Im Umgang mit dem Kind liegt der Fokus des KIH daher auf Langsamkeit und bewusster Berührung. Bewegung und Berührung werden als Kommunikationsform betrachtet. Ein Beispiel: Liegt das Baby auf dem Rücken und soll aufgenommen werden, wird zuerst der Blickkontakt gesucht und beide Hände seitlich an den Brustkorb gelegt. Der Rumpf wird dann sanft zur Seite gerollt, wobei eine Hand den Kopf stützt. Das Baby wird durch seine Körperspannung zeigen, über welche Seite es hochgenommen werden möchte. Was das Baby selbst kann, darf es beitragen, z.B. stützt es sich in dieser seitlichen Position kurz auf Hüfte und Ellbogen, bevor Mamas oder Papas Hände das Gewicht des nun fast sitzenden Kindes voll übernehmen. Das Baby wird nun mit dem Rücken zum Bauch des Erwachsenen hochgenommen, eine Hand hält es dabei am Bauch, die andere wandert zum Po, um ihn und die Beine zu stützen. So kann den angeborenen spiraligen Bewegungen des Körpers gefolgt werden und für die Eltern bedeutet das ein rückenschonendes Tun.

Das Kind wird mit seinen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Wünschen in alltägliche Pflegehandlungen miteinbezogen, es darf sein eigenes Tempo haben. Dadurch dauern einzelne Pflegesituationen sicherlich länger – die Zeit, die dabei „verloren“ wird, kommt aber in vielfältiger Weise positiv wieder zurück. Etwa durch ein sich kompetent und sicher bewegendes Kind, weniger Gegeneinander in der Pflege und eine entspanntere Eltern-Kind-Beziehung.

Für mehr Freude im Leben mit Kindern!
Katharina Maderthaner, MSc (Counseling)
katharina.maderthaner@gmx.net