Ein Kind und sein Vater berichten über ihre Erfahrungen beim Wechsel von einem Regelkindergarten in einen Waldkindergarten.
Ein Erfahrungsbericht von Tobias Steiner, Chirurg und Vater von Nina, die einen Waldkindergarten besuchte, weil man ihr freie Potenzialentfaltung, aber auch eine Beziehung zu Flora und Fauna ermöglichen wollte.
Tochter Nina auf die Frage, was denn im Waldkindergarten anders sei: „Da haben wir viel mehr Freiheit und viel mehr, wo man hingehen kann. Du kannst in einem Erdhügel graben, den der Bauer Franz, dem der ganze Wald gehört, jedes Jahr neu macht – ganz hoch, mit ganz viel Erde. Da haben wir diese kleine Hacke, den Erdhammer, um den wir uns immer streiten. Es gibt auch verschiedene Lieder. Zuerst kommt man zu den Kletterbäumen, von dort gibt es einen Waldweg hin zum Tipi. Da ist ganz viel Platz überall, da können wir auch Fußballspielen. Im Tipi sind wir nicht so oft, nur wenn schlechtes Wetter ist. Dann gibt es noch die Garderobe. Das sind einfach zwei dicke Äste gegenüber zwischen zwei Bäume geklemmt und da stehen dann ganz viele Zweige weg, die sind abgesägt und da kann man seine Rucksäcke aufhängen.“
Und hat dich der Wald irgendwie verändert? Nina: „Ein bisschen schon. Ich trage mehr kurze Hosen und ich kenne mich jetzt mehr mit der Natur aus.“
„Die Motivation, meiner Tochter Nina diese Jahre im Wald zu ermöglichen, war einerseits die Weitergabe persönlicher Werte wie Naturverbundenheit, Respekt vor Fauna und Flora und Selbstwahrnehmung unter möglichst geringem externen Einfluss. Andererseits war es auch ein bewusstes Gegensteuern gegen gesellschaftliche Dynamiken, denen unsere Kinder ausgesetzt sind.Warum schicke ich mein Kind in den Wald?
Reizüberflutung durch diverse Medien wie Computer und Fernsehen wirken sich negativ auf neurologische Entwicklungsprozesse aus. Auch sind die kreativen Angebote in vielen Kindergärten recht starr und vorgegeben, wie Ausmalbilder und Zierleisten, die ja schon schulvorbereitend gefordert werden, damit dann die Buchstaben exakter zwischen zwei Zeilen passen.
Eine freie Entwicklung und Potentialentfaltung, wie ich sie mir vorstelle, ist da eher unmöglich. Nachdem meine Tochter einige Zeit in einem solchen Kindergarten zugebracht hat, konnte ich sehr interessante Veränderungen bei Nina feststellen, als sie in einen Waldkindergarten wechselte (was zuvor beruflich aufgrund der kurzen Betreuungszeiten nicht mögliche war).
Nach einer anfänglichen Phase von Langeweile ohne die vorgegebenen Spiele und Animationen fand in weiterer Folge eine regelrechte „Erdung“ statt. Sie wurde ruhiger, konnte länger konzentriert bei einer Sache bleiben und wusste sich mit sich selbst zu beschäftigen. Es war nichts mehr fad.
Nebenbei fand eine unglaubliche motorische Entwicklung statt. Geschicklichkeit und Gleichgewicht waren durch unzählige Baumbesteigungen trainiert. Der respektvolle Umgang mit anderen und die Fähigkeit, Konflikte auch ohne Erwachsene zu lösen, fielen mir ebenso auf.
Als Eltern sollte man auf gute Ausrüstung und eine wasserdichte Kofferraumauskleidung achten.“
Aus: „freigeist“, Zeitschrift für alternative Pädagogik, www.freigeist.online, Herbst 2014
Daniela Christl