“Land der Wälder” könnte es in der Bundeshymne heißen. Rund die Hälfte von Österreich besteht aus Wäldern. Ursprünglich und naturbelassen sind aber die wenigsten davon. Doch es gibt sie noch – Urwälder in Österreich.
Urwälder verknüpft man zwar landläufig mit den Amazonas-Regenwäldern. Eigentlich stecken hinter dem Begriff jedoch Wälder, die ohne menschlichen Einfluss wachsen konnten und deren natürliche Dynamik ungestört verläuft. Heutzutage werden damit auch Wälder bezeichnet, die in diesem Sinne wiederhergestellt werden. In Österreich trifft das auf 0,7 Prozent der Waldfläche zu.
Österreichs Urwälder konnten dort bestehen, wo die Forstwirtschaft nicht wirtschaftlich war oder wo Waldbesitzer aus Liebhaberei die Säge zuhause ließen. Hier zeigt der Wald, was er kann: Fichten und Tannen werden 600 Jahre alt, Buchen 450 Jahre. Auch dann stehen Bäume noch gut ein Jahrhundert herum, bis der Sturm sie umwirft. Die großen Stämme vermodern als “Totholz” am Boden, wo sie Nahrung und Lebensraum für Pilze, Moose, Insekten und junge Bäume liefern.
Der bekannteste Urwald Österreichs ist der Rothwald im Wildnisgebiet Dürrenstein. Vier Quadratkilometer umfasst der eigentliche Urwald, der seit der letzten Eiszeit unangetastet blieb. Rundherum entsteht seit 2001 das 2400 Hektar große Wildnisgebiet Dürrenstein – nicht zuletzt ein Schutzpuffer für den Urwald mit dem Anspruch, wieder Urwald zu werden. Die Eingriffe in diesem Gebiet beschränken sich auf Wildtiermanagement und partielle Almwirtschaft.
Das Kerngebiet dürfen Wanderer nicht betreten – man müsste 12 Kilometer gehen, um es zu erreichen. Dafür gibt es Führungen im umliegenden Wald. Auch kann man vom Gipfel des Dürrensteins auf den Urwald hinunterschauen. Dort leben 70 Vogelarten und 45 Säugetierarten. Auch Luchse oder – zuletzt 2010 gesichtet – Braunbären.
Andere Urwälder in Österreich sind winzig. Sie befinden sich an versteckten Orten, etwa in den niederösterreichischen und steirischen Kalkalpen. Im Nationalpark Kalkalpen haben die Bundesforste die Bewirtschaftung auf zwei Drittel der Fläche eingestellt. Die Nadelforste werden langsam in Naturwälder umgewandelt. 2017 wurde der Park zum UNESCO-Weltnaturerbe zum Schutz der europäischen Buchenwälder ernannt. Die älteste Buche der Alpen mit stolzen 524 Jahren steht hier.
Auch im mittleren Kamptal haben alte Buchen- und Eichennaturwälder überlebt. Es gibt sogar kleine Urwaldreste. Unterhalb der Ruine Schauenstein führt der Wanderweg durch den wildesten Teil des Tales. Desweiteren gibt es am Lahnsattel zwischen Mariazell und Mürzsteg einen 21 Hektar großen Urwald. Er liegt mehr oder weniger an der Straße und kann erwandert werden.
Urwald-Reste gibt es in rund 200 Naturreservaten. Um Urwälder zu unterstützen, wurde das Österreichische Naturwaldreservate-Programm eingeführt. Bei dem Programm werden Wälder durch Verträge mit den Waldbesitzern aus der Nutzung genommen. Die Besitzer erhalten eine Entschädigung. Der Bund zahlt rund 800.000 Euro pro Jahr.
Durch das Programm gibt es mittlerweile über acht Quadratkilometer, in denen der Wald sich natürlich entwickeln und so zum sekundären Urwald heranwachsen darf. Für die Forschung sind diese Orte besonders interessant. Sie liefern wichtige ökologische Erkenntnisse durch die Beobachtung der komplexen Ökosystembeziehungen zwischen Bäumen, Pilzen und Waldbewohnern. Angesichts des Klimawandels sind diese Erkenntnisse besonders gefragt.
Nationalpark Kalkalpen
Geführte Wanderungen durch die Nationalparkverwaltung.
www.kalkalpen.at
Nationalpark Thayatal
Naturnahe Mischwälder bei Hardegg und Merkenstein.
www.np-thayatal.at
Nationalpark Hohe Tauern
Sonderschutzgebiet “Wiegenwald” im Salzburger Stubachtal (Besuch nur mit Führung).
“Rauriser Urwald” bei Kolm Saigurn (Salzburg).
www.hohetauern.at
Nationalpark Donauauen
Auf markierten Wegen durch die Stopfenreuther Au bei Hainburg, bei Haslau, Maria Ellend oder Orth.
www.donauauen.at
Totes Gebirge, Warscheneck
Wanderwege durch den größten Lärchen-Zirben-Wald Österreichs (Wurzeralm, Hochmölbinghütte).
www.warscheneck.at
Alpenpark Karwendel
Urige Wälder im “Vomper Loch” und anderen einsamen Tälern.
www.karwendel.org