Kinder sind keineswegs unfertige Erwachsene, sondern perfekte Kinder – Katharina Maderthaner über das Vertrauen, das Eltern in die Entwicklung ihres Kindes setzen dürfen.
Sieht man sich Portraits vergangener Epochen an, sind Kinder darauf stets als Miniatur-Erwachsene dargestellt. Erst in den letzten Jahrhunderten entstand das Verständnis von Kindheit als eigenem Lebensabschnitt. Trotz des Wissens über Kindheit, das seitdem gewachsen ist, scheint es sogar heute noch so, als würden wir Kinder allzu schnell als „unfertige Erwachsene“ sehen: „Das wird sie schon noch lernen.“
Dabei sind Kinder perfekte Kinder und keine kleinen Erwachsenen – sie tragen alles in sich, was sie für ihre Entwicklung brauchen und es macht Sinn, dass Kinder tun, was sie tun und wie sie es tun. In stabilen, liebevollen Beziehungen können sich diese Anlagen am besten entfalten.
Nehmen wir als Beispiel die Bewegungsentwicklung: Müssen Eltern ihrem Baby beibringen, wie es krabbelt? Durch seine Bewegungen erhält ein Baby von Anfang an Informationen über seine Umwelt und trainiert damit seine Motorik. Es entwickelt seine Bewegungsfähigkeit nach einem inneren Plan, der in allen Kindern angelegt ist. Es wird ganz aus eigenem Antrieb üben, sich auf den Bauch zu drehen, später wieder zurück auf den Rücken zu rollen und sich robbend oder krabbelnd vorwärts zu bewegen. Dazu muss es weder angeleitet, noch auf den Bauch gelegt werden, bevor es dazu bereit ist.
Kinder sind keine Trichter
In das kindliche Köpfchen kann nicht „von oben“ eingefüllt werden, was es zu lernen hat – Kinder lernen am nachhaltigsten über ihre eigenen Erfahrungen, vielfach vom Vorbild älterer Kinder und Erwachsener in ihrem Umfeld. Dieses Lernen muss einfühlsam und aufmerksam begleitet werden, kann dem Kind aber nicht abgenommen werden. Es lernt an Herausforderungen, die seinem Entwicklungsstand entsprechen, im Alltag, im Spiel, in Beziehungen. Kinder brauchen dazu Gelegenheiten, wo sie sich ihre eigenen Ziele setzen und an deren Erreichen arbeiten können, wo sie Hürden aus eigener Kraft überwinden lernen, während sie sich in der Beziehung zu den Bezugspersonen sicher aufgehoben wissen.
Drei erste Schritte zu mehr Vertrauen in die Fähigkeiten deines Kindes
• Nimm dir täglich ganz bewusst eine Zeit, in der du dein Kind beobachtest: Wie bewegt es sich? Wie geht es an eine Aufgabe heran? Zeigt es nicht eine imposante Ausdauer, wenn es etwas unbedingt schaffen will? Wie versucht dein Kind, Probleme zu lösen? Beginne mit etwa fünf bis sieben Minuten, wenn du noch ein Baby hast. Bei einem älteren Kind kannst du Situationen nutzen, in denen es sich selbst beschäftigt. Nimm dich zurück, kommentiere nicht und biete dem Kind nur wenn wirklich nötig Hilfestellungen an.
• Spielen ist die Arbeit des Kindes. Es setzt sich über das Spiel aktiv mit der Welt auseinander und erforscht sie bis in kleinste Details. Dabei kann sich ein Kind richtig vertiefen. Achte darauf, es in solchen Flow-Momenten möglichst nicht zu unterbrechen. In gerade diesen Momenten lernt dein Kind, seine Aufmerksamkeit zu bündeln, ganz in einer Tätigkeit aufzugehen und eine Sache zu Ende zu bringen.
• Suche die Beziehung mit deinem Kind, statt es durch Formen und Beeinflussen verändern zu wollen. Die Devise lautet: Wahrnehmen und annehmen, was ist, statt wohin zu drängen, was deiner Meinung nach sein sollte. Erst auf dieser Basis ist echte Beziehung möglich. Das beinhaltet auch eine Belohnung für uns als Eltern, denn annehmen statt kontrollieren entstresst – und bietet dem Kind Wurzeln und Halt in einer verlässlichen Beziehung.
Für mehr Freude im Leben mit Kindern!
Katharina Maderthaner, MSc (Counseling)
katharina.maderthaner@gmx.net