“Die Mindestsicherung greift häufig nicht.” Über die Nöte von Alleinerziehenden spricht Ursula Schildmair von der Psychosozialen Beratungszentrum „Alleinerziehend“ in Linz im Grünschnabel-Interview.  

Alleinerziehende sind mit ca. 40 Prozent die am häufigsten von Armutsgefährdung betroffene Gruppe in Österreich. Die Armutsgefährdungsgrenze für Eineltern-Haushalte lag 2015 bei 1512 Euro im Monat (12 Mal) bzw. 1296 Euro (14 Mal). Zum Vergleich: die Mindestsicherung für Alleinerziehende mit einem Kind beläuft sich auf maximal 1124 Euro (12 Mal).

Der „Verein für Alleinerziehende und getrennt lebende Eltern“ bietet in seinem Psychosozialen Zentrum „Alleinerziehend“ Rat und Begleitung bei psychosozialen Fragestellungen und psychotherapeutischen Anliegen. Grünschnabel befragte die Leiterin der Beratungsstelle, Ursula Schildmair, zum Thema Armutsgefährdung bei Alleinerziehenden.

Was sind die Hauptanliegen und Problembereiche von Alleinerziehenden bei Ihnen?
Schildmair: Im Grunde geht es meistens um den Umgang mit der neuen Situation, mit Themen, die sich neu stellen in Bezug auf Kinder, den neuen Alltag… Alleinerziehend zu werden oder zu sein hat Auswirkungen auf viele Bereiche. Dazu gehören Wohnen, Beruf, Kinderbetreuung, soziale Kontakte, Finanzen, seelische Verletzungen usw. Viele kommen auch, um ihren Kindern zu helfen, mit der Situation umzugehen. Wir bieten auch Psychotherapie für Kinder an.

Ist Armutsgefährdung oder finanzielle Not bei Ihnen ein Thema?
Schildmair: Ja. Es verändert sich alles, auch die Einnahmen und Ausgaben. Eventuell auch der Beruf.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die Hauptursachen für Armut bzw. Armutsgefährdung bei Alleinerziehenden?
Schildmair: Zum einen sind das oft Schwierigkeiten mit dem Unterhalt. Es gibt Frauen, die gar keinen Unterhalt beziehen, zum Beispiel weil sie darauf verzichtet haben oder weil der Unterhalt vom Kindesvater nicht einklagbar ist. Die Vorschusszahlungen lassen oft sehr lange auf sich warten. Auf der anderen Seite stehen die hohen Wohnkosten, die Kürzung der Wohnbeihilfe, die schlechte Bezahlung von Frauen, die Kosten für die Kinderbetreuung, etc.

Gibt es so etwas wie einen „typischen Fall der armutsgefährdeten Alleinerziehenden“?
Schildmair: Nein. Die Fälle sind sehr unterschiedlich und vielfältig.

Was können Sie in der Beratungsstelle für armutsgefährdete Alleinerziehende tun?
Schildmair: Unser Schwerpunkt liegt bei psychosozialer Begleitung und Psychotherapie. Was existenzielle Schwierigkeiten angeht, informieren wir über Möglichkeiten wie Beihilfen und vermitteln gezielt weiter, zum Beispiel an die Schuldnerberatung oder Sozialberatungsstellen. Selbst haben wir keine Geldmittel zu vergeben.

Was können die betroffenen Alleinerziehenden selbst tun?
Schildmair: Sie müssen viele Wege gehen. Zu Beratungsstellen und Behörden. Eine Möglichkeit ist auch, eine einmalige Beihilfe zu beantragen.

Beobachten Sie Veränderungen bei den existenziellen Nöten von Alleinerziehenden?
Schildmair: Ja. Es wird schwieriger. Ein Grund ist die Kürzung der Wohnbeihilfe. Die Mindestsicherung ist leider abhängig von der Bearbeiterin bzw. dem Bearbeiter und somit sehr willkürlich. Generell gibt es eine Kostensteigerung, z.B. auch bei den Schulkosten.

Was sollte sich da ändern?
Schildmair: Die Mindestsicherung greift nicht. Sie ist zu niedrig. Man sollte bei den Lebenshaltungskosten ansetzen und einen sozialen Ausgleich schaffen. Und wenn kein Unterhalt oder kein Unterhaltsvorschuss ausbezahlt wird, sollte es eine Notvariante geben. Es gibt leider überhaupt keine konkrete Beihilfe für Alleinerziehende. In Anbetracht ihrer hohen Armutsgefährdung wäre dies aber sehr sinnvoll.

Das Psychosoziale Beratungszentrum „Alleinerziehend“ ist in der Gstöttnerhofstr. 2 in 4040 Linz zu finden und Mo – Di von 8 – 11 Uhr unter der Telefonnummer 0732/654270 erreichbar. Weitere Informationen auf www.alleinerziehend.at.

 

Eva Grossmann