Nicht immer ist der direkte Lösungsweg der beste, findet Katharina Maderthaner von der Elternwerkstatt. Statt Lösungen vorzugeben, können Eltern im “sokratischen Dialog” ihre Kinder unterstützen.
Mama und der vierjährige Sohn sitzen zusammen und plaudern über den Kindergarten.
Mama (M): „Was hat dir denn heute Spaß gemacht im Kindergarten?“
Söhnchen (K): „Wir waren im Garten. Ich wollte aber gern in die Bauecke gehen.“
M: „Warst du auch in der Bauecke?“
K: „Nein.“
M: „Bist du nicht in die Bauecke hingegangen?“
K: „Oja, aber da waren die großen Buben drin.”
M: „Bist du zu ihnen hineingegangen?“
K: „Nein.“ –
M: „Wolltest du nicht mitspielen?“
K: „Die lassen mich nicht rein, wenn sie in der Bauecke spielen.“
Pause, Söhnchen steht die Traurigkeit darüber ins Gesicht geschrieben.
M: „Du möchtest auch gern in der Bauecke spielen, aber die großen Buben wollen niemanden mitspielen lassen.“
K: Schmerzvoll. „Ja!“ Die Mundwinkel wandern nach unten.
M: „Ich merke, dass dich das traurig macht.“ Mama streicht ihrem Söhnchen sanft über den Rücken. Erst nach einer Weile hat er sich wieder gefasst.
M: „Spielen die Buben oft in der Bauecke?“
K: „Fast jeden Tag!“
M: „Was machst du, wenn du sie in der Bauecke spielen siehst?“
K: „Ich schau‘ ihnen zu. Oder ich suche mir etwas anderes zum Spielen.“
Das Gespräch dreht sich noch kurz um alternative Beschäftigungen. Dann sprechen die beiden darüber, dass die große Schwester im nächsten Jahr in die Schule gehen wird und nicht mehr im Kindergarten ist. Wie wird das wohl sein? Wer von den Kindergartenkindern wird noch in die Schule wechseln? Söhnchen zählt ein paar Schulanfänger-Kinder auf: „Leonie, Maya, Tom. Der Lukas und der Basti sind auch Schulanfänger.“
Plötzlich kann Mama beobachten, wie sich das Gesicht ihres Söhnchens aufhellt. Die Augen werden weit und ein Lächeln schafft sich Platz:
K: „Mama, die großen Buben gehen auch nächstes Jahr in die Schule! Dann kann ich in die Bauecke gehen!“
Anliegen des Kindes ernst nehmen
Dieses Beispiel zeigt einerseits, wie ernst und tief das Problem „nicht in der Bauecke spielen können“ den Vierjährigen trifft. Die Mutter respektiert das und macht sein Empfinden nicht klein, indem sie die Situation als unwichtiges Kinderproblem abwertet. Sie nimmt ihn ernst und zeigt ihm, dass sie ihn versteht. So kann sich der Sohn in seiner Traurigkeit und Enttäuschung ganz angenommen fühlen.
Andererseits wird deutlich, wie er eine eigene Idee davon entwickelt, wie die Situation sich lösen könnte. Als Erwachsener mögen wir schon zehn Vorschläge im Kopf haben, was unser Sohn nun alles unternehmen könnte, um doch in der Bauecke spielen zu können. Von „Lass dir das doch nicht gefallen, geh’ einfach rein!“, über „Sag es doch der Betreuerin, dass sie dich nicht mitspielen lassen“, bis zu „Spiel halt drin, wenn die großen Buben gerade etwas anderes spielen.“ – Wir könnten es besser wissen und mit unserem Rat das Gespräch beenden.
In diesem echten Beispiel wählt die Mutter stattdessen einen anderen Weg, auf dem sie zuerst dafür sorgt, dass ihr Sohn sich verstanden fühlt. Dann stellt sie Fragen, um die Umstände zu klären und den Blick des Buben zu weiten. Dadurch führt das Gespräch weg von einer Erstarrung im Problem.
So kann eine eigene Einsicht im Kind reifen, wie sich die Situation für ihn lösen kann. Die Erleichterung in seinem Gesicht zeigt überdeutlich, wie er dadurch selbst gewachsen und gereift ist. Er ist bestimmt froh und stolz, diese Einsicht zu haben. Auch wenn es aus erwachsener Sicht keine besonders akzeptable Lösung sein mag abzuwarten, bis die großen Buben in die Schule gehen, ist diese Erkenntnis für den Buben doch eine Er-Lösung.