Von Wunsch und Wirklichkeit im Alter
Was im Alter niemand will: einsam sein, alleine wohnen, pflegebedürftig sein, auf Hilfe von Fremden angewiesen sein, immobil werden…
Was im Alter viele erwartet: einsam sein, alleine wohnen, pflegebedürftig sein, auf Hilfe von Fremden angewiesen sein, immobil werden…
Dass es auch anders gehen könnte, diskutieren engagierte Menschen schon seit Jahrzehnten. Die Idee heißt „Gemeinsam wohnen“, Generationenhaus, Cohousing…
Die Initiative GEMEINSAM WOHNEN der Grünen 50plus und des Vereins zur Förderung von Lebensqualität bietet konkrete Veranstaltungen zu dem Thema sowie eine Wohnbörse für Menschen, die alternative Wohnformen suchen. Da sucht zum Beispiel Astrid, Jahrgang 61, Pädagogin, MitbewohnerInnen für ein gemeinsames Haus im Linzer Zentrum. Sie könnte sich einen Altbau vorstellen, der gemeinsam saniert wird und dann in Mietwohnungen aufgeteilt wird.
Die Ausformungen alternativen Wohnens sind vielgestaltig.
In der eigenen Wohnung, aber in einem gemeinsamen Haus wohnen, ist dabei sicher die privateste Variante. In einer Wohnsiedlung mit vielen Gemeinschaftsräumen zu leben und gemeinsam zu kochen und zu essen ist schon etwas anderes. Bei dieser Form ist es erwünscht, vieles im Alltag gemeinsam zu machen. Da geht es auch darum, Generationen aus ihren sonst so isolierten Lebensräumen herauszuholen und zusammenzubringen. Kinder und Senioren, Jugendliche und Ältere.
Eine große Rolle bei der Gestaltung dieser neuen Lebensräume spielt die Architektur. Bieten herkömmliche Mehrparteienhäuser gerade mal gemeinsame Waschküchen, sollen bei den alternativen Projekten bewusst Räume für gemeinsames Kochen, Gemeinschaftsgärten, ein Schwimmteich für alle, große Spielplätze oder Veranstaltungsräume geschaffen werden.
Kochen, Waschen, Essen gemeinsam
Darüber hinaus kann man Car-Sharing betreiben, Einkaufsgemeinschaften bilden und gemeinsame Kinderbetreuung organisieren. Im Vordergrund steht dabei, das Gemeinschaftliche mit dem Privaten harmonisch zu verbinden – anders als in konventionellen Wohnformen, wo sich NachbarInnen nicht unbedingt kennen. Gemeinsam wohnen heißt, dem Trend zur Diversifizierung gesellschaftlicher Gruppen entgegen zu wirken. Nicht mehr Studentenheim, Altersheim, Einfamilienhaus-Siedlungen, verlassene Dörfer, Hochhausburgen, sondern alle unter einem Dach.
Renate Lehner von der Wohninitiative GEMEINSAM WOHNEN:
„Wir haben 2009 mit einer Wohninitiative begonnen. Das ging dann in die Plattform www.gemeinsamwohnen.at über. Wir möchten mit Veranstaltungen und politischen Forderungen auf das Thema aufmerksam machen und Interessierte vernetzen. Ein wichtiges politisches Anliegen ist für uns zum Beispiel, die Wohnbauförderung in Oberösterreich auch auf den Bau alternativer Wohnformen auszudehnen.
Auf unserer Plattform melden sich zunehmend mehr, die das Altersproblem durch konstruktive Nachbarschaftshilfe angehen möchten. In einem gemeinsamen Haus in der eigenen Wohnung zu wohnen und gemeinsam zu kochen, miteinander die Freizeit zu verbringen, zusammen im Garten zu sitzen, Besucher in Gästewohnungen unterzubringen… das ist baulich und technisch nicht schwer umzusetzen. Es gibt zwei Mal jährlich persönliche Treffen der Wohninitiative und die Website steht für Angebote und Nachfragen zur Verfügung. Wir unterstützen die InteressentInnen gerne durch Informationen, die Umsetzung muss dann aber mit viel Eigeninitiative und langem Atem auf einer konkreteren Ebene geschehen.“
Auf www.gemeinsamwohnen.at findest du die Möglichkeit, Gleichgesinnte zu suchen und dich über Angebote von anderen InteressentInnen zu informieren.
Laut Prognosen der Bundesanstalt Statistik Österreich halten sich Geburten und Sterbefälle in Österreich noch für etwa 20 Jahre die Waage. Danach werden die Geburten voraussichtlich unter den Sterbezahlen liegen, was zu einem höheren Altersdurchschnitt führen wird. Durch Zuwanderung wird die Bevölkerung in Österreich bis zum Jahr 2050 allerdings auf rund 9,5 Millionen anwachsen. Die Demografische Entwicklung in Österreich: Die durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich beträgt zurzeit (2010) bei den Frauen 83,2 Jahre und bei den Männern 77,7 Jahre (im Vergleich 1971: 75,7 Frauen und 73,3 Männer).
Wohnen in der Sargfabrik
Das größte alternative Wohnprojekt Österreichs befindet sich im 14. Bezirk in Wien. Eine alte Sargfabrik dient als Wohnhaus für etwa 150 Erwachsene und 60 Kinder und Jugendliche. Platz finden zurzeit u.a. eine sozialpädagogische Wohngemeinschaft, sieben Heimplätze für Behinderte und sechs Wohneinheiten für kurzfristigen Wohnbedarf. Starke Resonanz erfährt die Sargfabrik auch als offenes Kulturhaus mit einem großzügigen Veranstaltungssaal. Die Veranstaltungen haben inzwischen einen wichtigen Platz in der Wiener Kulturszene eingenommen. Gemeinsame Aktivitäten sind den BewohnerInnen wichtig. Neben diversen Geburtstagsfeiern und klassischen Festen werden etwa mit dem „VILCooking” wöchentliche Abendessen in der Gemeinschaftsküche organisiert.
Der Verein für Integrative Lebensgestaltung – VIL hat das Wohnprojekt wie ein „Dorf in der Stadt” realisiert: Dazu gehören Kinderhaus, Seminarraum, Badehaus, Restaurant, Spielplatz, Gemeinschaftshöfe, Bibliothek, Dachgarten…
Die Idee „Wohnen – Kultur – Integration” bildete die Grundlage bei der Planung des Projektes. Zur Verwirklichung dieser Ziele ist der Verein in folgenden Bereichen tätig:
- gemeinsames Planen, Errichten und Betreiben des Projektes
- gemeinsames Wohnen bei gleichzeitiger Offenheit für individuelle Gestaltung in Single-, Familienwohneinheiten und Wohngemeinschaften
- gemeinsames Leben ohne Gruppenzwang: Alle können sich beteiligen – niemand muss
- Integration von behinderten Menschen und anderen sozial benachteiligten Gruppen, Mischung hinsichtlich Alter und Herkunft
- Berücksichtigung ökologischer Aspekte durch optimierten Energieverbrauch, Ökostrom, Kompostierung, solare Warmwasserbereitung u.v.m.
- Betreiben eines kulturellen Zentrums für Grätzel, Bezirk und Stadt durch Kultur-, Seminar-, Badehaus, Kindergarten und Restaurant.
Und weil das ganze Projekt so erfolgreich ist und es kaum Fluktuation gibt (wenn für die BewohnerInnen ihre Wohnung nicht mehr passt, wird untereinander getauscht), errichtete der Verein im Jahr 2000 eine kleine „Miss Sargfabrik“ gleich um die Ecke. Hier gibt es 39 Wohneinheiten, Bibliothek samt PCs und Internetanschluss, Gemeinschaftsküche, Clubraum und Büro von BKK 3.
Quelle: www.sargfabrik.at