In jedem Kulturkreis gibt es andere Rituale, ein Baby auf der Welt zu begrüßen. Oft erscheinen sie uns skurril, meist sind sie klimatischen Bedingungen geschuldet. Allen gemeinsam ist, dass es immer um Liebe geht.
- In Algerien wird das erste Hemdchen des Neugeborenen nicht gewaschen, sondern in sein Kopfkissen eingenäht. Der Schmutz schützt es vor bösen Geistern.
- Japan: Nach der Geburt wird die Nabelschnur gesäubert und zur Erinnerung in ein spezielles Aufbewahrungs-Kästchen gelegt. Das soll auch für eine lebenslange gute Beziehung zwischen Mutter und Kind sorgen.
- In Namibia streichen die Himba ihre Babys mit roter Farbe ein. Einerseits dient das Ritual zum Schutz vor Sonne oder Insekten, hat aber auch eine symbolische Bedeutung: In Afrika steht die Farbe Rot für die Mitte des Lebens – wenn die Neugeborenen rot bemalt werden, sind sie in die Welt der Lebenden aufgenommen.
Wir kennen die Bilder der festeingewickelten Babys, die sich kaum noch rühren können. Doch solche Wickeltücher haben einen Sinn, denn das Kleine bleibt in seinem Kokon von der eigenen Körperwärme umschlossen.
Naturwindeln
Als Windel dient in Nordafrika getrockneter Kamelkot, im Jemen werden schleimhaltige Pflanzen verwendet, und die Inuit im hohen Norden bevorzugen Moos. Verständlich, denn dort gibt es keine Papierwindeln, und schon gar keine Müllentsorgung oder viel Wasser für das Waschen von Stoffwindeln.
Über den Tellerrand schauen
Was uns skurril erscheinen mag, hat woanders gute, logische Gründe: In der Mongolei werden Kindern erst frühestens nach zwei Jahren die Haare geschnitten, denn die Haare sind der Sitz der Lebenskraft. In Nepal wiederum streicht man die bei Neugeborenen so empfindliche Fontanelle zum Schutz mit einem Gemisch aus Ruß und Butter ein.
Buchtipp:
“Babys in den Kulturen der Welt” von Batrice Fontanel und Claire d’Harcourt,
Die beiden Autorinnen haben einen Bildband mit schönen Bildern von kleinen Kindern und ihren Eltern gestaltet. Auf sehr lebendige Art schildert dieses Buch, wie Babys in anderen Teilen der Welt leben – wie sie gebadet, gepflegt und gekleidet oder wie sie in den Schlaf gewiegt werden. Die überraschenden Informationen darüber, wie andere Völker ihrem Nachwuchs begegnen, entnahmen sie ethnologischen Forschungsberichten zum Umgang mit Säuglingen.
In den Texten zeigt sich, dass sich alle Eltern auf dieser Welt immer mit den gleichen Fragen auseinandersetzen: Wie bleibt mein Kind gesund? Warum schläft es nicht? Warum schreit es? Wie wird es sich gut entwickeln?
Die Methoden in der Erziehung sind auf dem Globus sehr unterschiedlich. In westlichen Kulturen steht die individuelle Förderung des Nachwuchses im Mittelpunkt. In anderen Kulturen steht dagegen der Zusammenhalt innerhalb der Familie und der Gesellschaft an erster Stelle. Die meisten nicht-westlichen Kulturen kommen auch ganz ohne Elternratgeber aus. Es gibt einfach Erziehungsziele und Regeln, die sich in den jeweiligen Kulturen bewährt haben und sich dem Lebensrhythmus oder den sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen anpassen.
Die beiden Autorinnen stellen die Bilder und Informationen ganz ohne Wertung nebeneinander. Es wird dadurch ein überheblicher Blick auf andere Kulturen und verklärte Ethno-Romantik vermieden.
Buchtipp:
Kinder in fernen Ländern – für uns erzählt: von Geneviève Hüe und Caroline Laffon.
Kind sein in Asien, Afrika oder in Europa – das ist nicht ein und dasselbe. Die Lebensumstände von Kindern in fernen Ländern sind oft ganz andere als hier bei uns.
DVD-Filmtipp: “Babys”
Vier Babys aus vier Nationen werden zu Kindern. Die Kamera begleitet jeweils ein Jahr lang vier Babys von der Geburt an bis zum ersten Schritt.
Während Mari und Hattie in den lärmenden Großstädten Tokio und San Francisco aufwachsen, werden Ponijao und Bayar in der namibischen Wüste bzw. der mongolischen Steppe groß. Mögen auch die Lebensbedingungen, die die Kleinen in ihren jeweiligen Heimatländern vorfinden, unterschiedlicher nicht sein, das Lachen und Weinen, das Brabbeln und Glucksen klingt auf jedem Kontinent gleich. (Amazon)
Isabel Höglinger