Warum sich das Modell der Väterkarenz noch nicht durchgesetzt hat, obwohl mehr und mehr Männer es gerne in Anspruch nehmen würden, fragte Grünschnabel den Sozialpädagogen und Elterncoach Werner Zechmeister.
Grünschnabel: In Väterkarenz zu gehen wird vom Gesetzgeber und Unternehmen zwar zunehmend erleichtert, aber in der Praxis wird das Angebot noch nicht flächendeckend angenommen. Woran könnte das liegen?
Auf der einen Seite können die Mütter ein Hindernis sein. Denn für den Aufbau und die Pflege der Kinder, der lebenswichtigen sozial-emotionalen Bindung und dem Urvertrauen, haben sie nach wie vor Priorität. Sie gelten als die primären Bezugspersonen. Durch Schwangerschaft und Geburt sind Mutter und Kind für eine enge, symbiotische Bindung prädestiniert. In ihrer Zweisamkeit sind sich beide genug. Der Vater „scheint“ dabei eigentlich überflüssig.
Er nimmt dies wahr, fühlt sich zurückgesetzt und vertieft sich mehr in seine Arbeit. Das ist oft auch der Grund dafür, dass manche Männer nach der Geburt des Kindes plötzlich später von der Arbeit nach Hause kommen.
Ein weiterer Punkt kann die Einstellung der Mutter sein. Ist sie auf Gleichheit eingestellt, wird sie dem Vater auch zutrauen, dass er die Zeit alleine mit dem Kind meistert.
Auch das Selbstbewusstsein der Mutter spielt eine Rolle. Je geringer, umso weniger wird sie dem Vater dies zutrauen. Sie wird auch in der Erziehung die Verantwortung an sich reißen und den Vater als Hilfskraft betrachten und rigorose Standards setzten, wie das Kind zu behandeln ist..
Die Harmonie zwischen den Partnern, die Qualität der Beziehung, ist ein großer Indikator für die Väterkarenz. Ist die Harmonie groß, sind die Väter eher bereit dazu, als wenn die Beziehung zur Mutter gestört ist.
Es ist eine neue Vätergeneration herangewachsen und es sehen sich inzwischen zwei Drittel der Väter in neuen sozialen Rollen. Nur ein Drittel verharrt im klassischen Verständnis des ausschließlichen „Brotverdieners“.
Trotzdem ist für viele Väter das gesellschaftliches Ansehen und ihr Erfolg mit der Arbeit verbunden. „Geachtet werde ich, wenn ich Leistung bringe“ und so ist es ja auch in unserer Leistungsgesellschaft so erwünscht.
Dazu gehört natürlich auch, dass Väterkarenz in vielen Firmen nicht wirklich erwünscht ist. Für den Ausfall gibt es meist keinen Ersatz und die KollegInnen müssen die Arbeit übernehmen. Auch müssen gewisse Voraussetzungen mitgebracht werden, wie z.B. drei Jahre Beschäftigung im Betrieb oder mehr als 20 Arbeitnehmer im Betrieb.
Die Politik ist gefordert, bei den Firmen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie wichtig Väterkarenz für die Kinder ist und auch den Firmen etwas bringen kann. In Ländern, in denen die Väterkarenz mehr angenommen wird, haben viele Firmen die Einstellung, wenn ein Vater sich zuhause mit dem Kind und den Haushalt organisieren kann, nimmt er diese Gabe auch in den Betrieb mit.
Grünschnabel: Welche Bedeutung hat der Vater für die kleinkindliche Entwicklung?
Beide Eltern spielen im Leben eines Kindes eine wichtige Rolle. Sie versorgen und schützen das Kind. Eine ganz wichtige Rolle spielen sie bei der Sozialisation und Entwicklung.
Gerade hier haben Vater und Mutter jeweils ganz eigene Rollen, die nur schwer oder gar nicht vom anderen Partner übernommen werden kann. Während die Mutter die pflegende und fürsorgliche Rolle übernimmt und dementsprechend auch als Vorbild gilt, hat der Vater eigentlich eine nicht weniger anstrengende Position für die Entwicklung seiner Kinder.
Er muss Vorbild für seinen Sohn sein, Übungsobjekt für die Tochter, damit sie den Umgang mit dem anderen Geschlecht lernt und Prüfstein, wenn Kindern die Fähigkeit vermittelt wird, Autoritäten anzuerkennen.
Väterliches Engagement wirkt sich insbesondere auf die Entwicklung von Empathie, sozialer Kompetenz, schulischer Leistungsfähigkeit und der Fähigkeit, Probleme zu bewältigen, günstig aus. Der Vater spielt eine zentrale Rolle für die emotionale und soziale Entwicklung sowie Geschlechts – Rollenidentität des Kindes.
Die Vaterpräsenz wirkt sich auf die Geschlechterrollen-Identifikation von Buben stärker und langfristiger aus als bei Mädchen. Fehlendes väterliches Engagement ist häufig auch mit gestörtem Sozialverhalten verbunden.
Kinder können enorm vom väterlichen Engagement profitieren. Davon, dass ihr Erzeuger ihnen von Beginn an „Gefährte, Pflegepersonal, Partner, Beschützer, Vorbild, Anleiter in moralischen Fragen und Lehrer“ ist.
Grünschnabel: Welche Auswirkungen hat der gesellschaftliche Umbruch traditioneller Familienstrukturen auf die kindliche Entwicklung?
Unter „traditionelle Familienstruktur“ verstehen wir, dass der Vater seine familienversorgende Berufsrolle einnimmt. Er ist der Geldverdiener und Ernährer. Für seine gesellschaftliche Anerkennung ist sein Berufserfolg entscheidend. Die Erziehung des Kindes ist zweitrangig, gilt als unmännlich und ist Sache der Mutter. Wichtig ist ihm seine Rolle als Erzeuger, und auf sein Produkt ist er stolz.
Durch die Frauenbewegung und die vermehrte Berufstätigkeit der Frau, durch die günstigeren Lebensbedingungen der Familie, durch die auf das Kindeswohl ausgerichtete Familienpolitik und durch den Appell an den Vater von staatlicher Seite, mehr Verantwortung zu übernehmen, ist ein neues Vaterbild entstanden.
Der „neue“ Vater präsentiert sich als engagierter und innerlich gewandelter Erzieher. Er ist gefühlvoll und einfühlsam, zärtlich und fürsorglich, kooperativ und partnerschaftlich. Er übernimmt zunehmend mehr Aufgaben in der Pflege und Erziehung und übt sich auch im Karriereverzicht. Er nimmt Erziehungsurlaub und wird zum Hausmann.
Auch den Ausspruch „Ich habe den ganzen Tag Stress im Job – da kann ich mich nicht auch noch um die Kinder kümmern!“ gibt es immer weniger.
Die moderne Familie zeigt heutzutage unterschiedliche Konstellationen. Beide Eltern sind berufstätig und als Eltern tätig. Die Mutter vertritt die Berufsrolle, der Vater ist Hausmann. Die Mutter ist alleinerziehend, zuweilen auch der Vater. Die Erziehung des Kindes wird weitgehend von außenstehenden Erziehungspersonen übernommen. Zwei Frauen oder zwei Männer bilden mit dem Kind eine Familie. Die Kleinfamilie wird zur Wohngemeinschaft erweitert. In der Patchwork-Familie lebt der Stiefvater und sein Kind mit seiner Partnerin und ihrem Kind zusammen.
Die kindliche Entwicklung profitiert davon, dass die Natur in den Vater nicht nur die „harte“ Rolle des Beschützers und Ernährers angelegt hat, sondern auch die „weiteren“ Rollen als Spielpartner, emotionaler Begleiter und warmherziger Erzieher.
Die wichtigsten Bestandteile guten Elternverhaltens sind universell und beiden Elternteilen eigen. Dabei geht es vor allem um Wärme, Einfühlungsvermögen, innere Beteiligung und, mit zunehmendem Alter der Kinder, Aufsicht.
Väter prägen ihre Kinder also nicht erst, wenn sie mit ihnen Fußball spielen können. Hilft der Vater schon bei der Babypflege mit, bekommt er früh eine enge Bindung zum Kind und umgekehrt. Dabei zeigt er dem Baby und Kleinkind schon ein wenig die Welt – und zwar auf seine Weise, die männliche.
Während Mütter mehr mit den Kindern sprechen, bevorzugen Väter Imitations- und körperorientierte Spiele wie Toben, Jagen, Kitzeln und in die Luft werfen.
Väter trauen Kindern aber auch mehr Eigenständigkeit zu. Forscher beobachteten, dass sie später eingreifen, wenn ihr Kind Ärger auf dem Spielplatz hat, oder noch nicht von der richtigen Seite ins T-Shirt findet.
Kinder dürfen jetzt beide Elternteile erleben und zwar jeden in seiner speziellen Rolle.
Grünschnabel: Was empfehlen Sie frischgebackenen Eltern in Hinsicht auf ein ausgewogenes Rollenbild?
Ich kann den jungen Eltern empfehlen, viel miteinander zu sprechen, welche Rolle jeder Elternteil einnehmen soll, kann und will. Die Kinder sollen nicht einen verweiblichten Vater oder eine männliche Mutter erleben. Die Mutter darf mehr für Gefühle zuständig sein, aber nicht nur. Der Vater darf sich seiner Rolle gemäß mehr für technische Dinge interessieren. Er darf auch für die Abenteuerlichen, wilderen und riskanteren Spiele zuständig sein.
Beide Elternteile sollen fähig sein, ihre Gefühle zu zeigen, sie auszudrücken und auch die Kinder mit ihren Gefühlen annehmen.
Wichtig ist, und dafür brauchen wir auch wieder viele Gespräche, dass beide Elternteile sich im Grunderziehungsstil und den Zielen einig sind. Es darf so sein, dass vielleicht die Mutter strenger ist und der Vater etwas lockerer oder umgekehrt.
Die Eltern haben aber nicht nur die Rolle der Mutter, des Vaters und der Erzieher, sondern auch die Rollen der Partnerin und Partners, Ehefrau und Ehemann. Um die Harmonie in der Beziehung zu stärken, sollten sie sich immer wieder gemeinsame Zeiten ohne das Kind gönnen. Von dieser Harmonie profitieren am Ende vor allem die Kinder.
Info: Werner Zechmeister ist Sozialpädagoge, Elternbildner, Elterncoach, Dipl. Lebensberater, Dipl. NLP Coach, Supervision, Dipl. Trainer für Erwachsenenbildung, Dipl. Hypnosetrainer und macht Systemische Familienaufstellungen
Kontakt: Tel.: 0676- 780 3264
E-Mail: werner.zechmeister@aon.at
Lies auch das Grünschnabel-Interview mit Werner Zechmeister über Kindliche Ordnung.
Ein weiterer Grünschnabel-Artikel zum Thema Väterkarenz:
Isabel Höglinger