Nachdem die Lebensmittel-Läden und Bauernmärkte ihr Tagesgeschäft beendet haben, wird noch die letzte Aufgabe abgehakt: All die Nahrung, die nicht mehr verkaufsreif ist, wird entsorgt. Dabei landen an vorderster Stelle Obst und Gemüse in der Tonne. Eine Linzer Initiative stellt sich dagegen – und verarbeitet die Lebensmittel weiter, bevor sie im Müll enden.
Es ist Mittwoch, kurz nach 22 Uhr. In der Linzer Innenstadt herrscht – trotz der späten Stunde an einem Wochentag – reges Treiben. Und das nicht nur auf den Straßen, sondern auch im Spirali am Graben, einem Nudel-Restaurant mit regionalen Spezialitäten. Eigentlich hat das Spirali vor drei Stunden seine Pforten geschlossen. Doch an diesem Tag ist es für die „Z’quetschten Zwetschken“ geöffnet, die die Zeit nach Ladenschluss dazu nutzen, übrig gebliebenes Gemüse vom Südbahnhofmarkt einzukochen. Am Menüplan stehen Letscho und Kiwi-Feigen-Marmelade. 16 geschäftige Hände sind in der kleinen Küche, in der man sich kaum umdrehen kann, am Arbeiten – und das mit so viel Tatendrang und Effizienz, dass die Marmelade bereits fertig eingefüllt in Gläsern bereit steht. Während die einen am Kochen sind, putzen die anderen schon hinterher. Nach dem Einkochen soll alles schließlich wieder blitzblank aussehen – das ist die einzige Bedingung, die der Besitzer vom Spirali der Gruppe für die Nutzung seiner Küche gestellt hat.
Die „Z’quetschten Zwetschken“ sind eine kleine Gruppe an Aktiven, die dem Überfluss im täglichen Alltag nicht mehr nur zuschauen wollten. Die Idee kam der 32-jährigen Daniela Waser, als sie einmal über den Südbahnhofmarkt schlenderte. Dort sah sie, wieviel Obst und Gemüse zu Mittag weggeschmissen wurde – und das, obwohl es noch verzehrbar war. Oft sahen die Lebensmittel einfach nicht mehr gut genug aus, um die KäuferInnen noch anzusprechen. Also fragte sie nach, ob sie den unnötigen Überschuss haben könne. Die Markthändler sagen „Ja“.
Das Obst und Gemüse kochen die „Zwetschkerl“ kistenweise ein. Was daraus entsteht, hängt immer davon ab, was sie vom Markt bekommen. Dem können hin und wieder auch exotische Kreationen wie die „Aprikose-Heidelbeer-Marmelade“ entwachsen. „Das war im Sommer ein echter Renner“, verrät Daniela Waser. Denn das Eingekochte behält die Initiative nicht für sich, sondern bringt es wieder dorthin zurück, wo es herkam: auf den Südbahnhofmarkt.
Mit Eingekochtem, Muffins und der einen oder anderen Quiche stellen sich die Zwetschkerl an Sonntagen oft selbst zu einem Stand auf den Südbahnhofmarkt, wo sie das Kreierte bei einer freien Preispolitik wieder verkaufen. „Zahl, was du willst“, heißt die Devise. Was dabei hereinkommt, ist für die gelernte Grafikdesignerin aber nebensächlich. „Mir ist es wichtig, mit den Leuten in Kontakt zu treten und unsere Message zu transportieren“, betont Daniela Waser. „Wir wollen den Leuten am Markt zeigen: Kauf doch auch das Gemüse, das nicht so schön aussieht und ganz unten liegt – schau, was wir noch daraus machen.“ Das weitere Nachdenken ist den Menschen dann selbst überlassen. „Wenn du nur kaufst, was du wirklich brauchst, bieten die Händler in Zukunft hoffentlich auch weniger an und es entsteht weniger Überschuss“, erklärt sie. „Und die Leute, mit denen wir reden, denken vielleicht auch an unsere Message, wenn sie später im Saturn oder im Gewand-Geschäft stehen.“
Das Feedback, das die Z’quetschten Zwetschken bei den Begegnungen und Gesprächen am Markt bekommen, ist überwältigend. „Vor allem ältere Leute finden es klasse, dass wir uns um diese Sache annehmen“, erzählt Daniela Waser. Ihr Großmutter musste sie aber noch von der Aktion überzeugen. Als sie fragte, wie das Einrexen am besten ginge, war die erste Reaktion der Oma: „Geh, das macht man heute doch nimmer, das gibt’s doch alles beim Hofer.“
Das nächste Ziel der Z’quetschten Zwetschken ist es, die Idee noch mehr im Linzer Großraum zu transportieren – auf dem Markt, bei Gesprächen, aber auch bei Einkoch-Aktionen wie im Spirali. Bereits zum vierten Mal waren sie dort zu Gast. Das nächste Mal soll noch ein großes Schild an die Tür kommen und zum Eintreten und Mitmachen einladen. Denn beim Einkochen bis nach Mitternacht ist viel Zeit, um gegenseitig Ideen und Kreativität in und außerhalb der Küche auszutauschen – und bei etwas mitzuhelfen, das mehr als den Körper noch den Geist nährt.
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