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„Schule im Aufbruch“ meint eine Alternative zum herkömmlichen Schulkonzept, bei der Potenzialentfaltung und wertschätzende Beziehungen im Vordergrund stehen. So sollen Kinder das Lernen als kreativen und inspirierenden Prozess erleben. Wie dieses Konzept in der Praxis umgesetzt wird, darüber berichtete Susanne Kappl, Schuldirektorin an der Volksschule Farbengarten in Allhartsberg in Niederösterreich, in einem Vortrag in St. Florian.  

Ein „Schule im Aufbruch“-Kind weiß: „Es ist gut so, wie ich bin, mit all meinen Stärken und Schwächen. Ich bin nicht weniger wert, nur weil ich Probleme mit der Rechtschreibung habe und im Kopfrechnen langsamer bin als andere.“ Leistungsschwache haben oft außergewöhnlich gute soziale Kompetenzen oder verfügen über handwerkliches Geschick. Daran knüpft „Schule im Aufbruch“ an.

Das Schulkonzept folgt den Ansichten des Neurobiologen Gerald Hüther, der sich Schule wünscht als „Werkstätten des Entdeckens und Gestaltens, Erfahrungsräume zur Entfaltung der in allen Kindern angelegten Potenziale, Begegnungsorte für das Voneinander- und Miteinander-Lernen, Basislager des Erlebens von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung und des Gefühls, aneinander und miteinander über sich hinauswachsen zu können.“

„Im Vordergrund steht nicht nur, was das Kind lernt, sondern auch, wie es lernt“, erklärt Susanne Kappl, Direktorin der Volksschule im Farbengarten Allhartsberg in Niederösterreich bei einem Vortrag in St. Florian bei Linz mit dem Titel: „Eine Vision macht Schule in Österreich – Wie kann Schule heute gelingen?“. Sie verdeutlicht die Unterschiede zum herkömmlichen Modell, das häufig von Lernen im Gleichschritt, optimieren, Angst vor Schularbeiten und Prüfungen, Konkurrenz, Selektion und Defizitorientiertheit bestimmt wird.

„Burn for“ statt „burn out“

Im Gegensatz dazu versteht sich „Schule im Aufbruch“ als Lernen im eigenen Takt und Tempo, autonom, mit Begeisterung und Courage. Es geht darum, Selbstwirksamkeit zu leben, Vertrauen zu fördern in die eigenen Möglichkeiten, um Wir-Bewusstsein, Vielfalt. Unterschiedlichkeit wird als Bereicherung erlebt. Lernen orientiert sich an den Stärken des Kindes, es werden offene Lernwelten und Transparenz gelebt. Steht im alten Schulmodell häufig Druck und „ausbrennen“ an der Tagesordnung, geht es bei der „Schule im Aufbruch“ darum, die Begeisterung der Kinder für das Lernen zu wecken, sie für „etwas brennen zu lassen“, wie der Bildungsmanager Josef Hörndler aus Niederösterreich es in dem Vortrag auf den Punkt bringt.

Um sich auf den Weg hin zur „Schule im Aufbruch“ zu machen, braucht es zunächst eine allgemeine Begegnungskultur, die auf Wertschätzung beruht – sei es nun im Lehrerteam, in der Kommunikation mit den Eltern oder im Umgang mit den Kindern: „Wir schimpfen nicht, sondern geben Unterstützung oder Denkanstöße“, erklärt Kappl. „Es geht darum, dass die SchülerInnen lernen, selbst einzuschätzen: Was brauche ich jetzt? Wer kann mir da helfen?“ Urkunden werden in Allhartsberg nicht für die beste Leistung, sondern für den besten Leistungsfortschritt vergeben.

Logbuch und Lernarena

Was bedeutet das nun im Schulalltag? „Es gibt bei uns keine Tests und Schularbeiten, keine Noten und wenn es nach uns LehrerInnen ginge, bräuchte es auch keine Hausaufgaben. Der Unterricht wird kaum noch in Klassen gehalten, die Kinder erarbeiten sich viele der Inhalte in offenen Lernräumen, wobei sie sich in der Lernarena, am Gang, im Garten oder in Klassenräumen individuell einen Platz suchen oder zusammenfinden“, erklärt Kappl.

In so genannten Logbüchern, einer Art Lerntagebuch, tragen die Kinder ihre persönlichen Lernziele, aber auch Fortschritte ein. Einmal im Monat wird auf Grundlage des Logbuchs ein Lehrer-Schüler-Gespräch geführt. „Wir sprechen mit jedem Kind über sein schulisches Fortkommen, aber auch über soziale Themen“, so Kappl. Dabei stellte sie fest, dass ihre SchülerInnen rasch ein hohes Maß an realistischer Selbsteinschätzung entwickelten. „Sie lernen von Gespräch zu Gespräch, sich besser auszudrücken und selbst einzuschätzen.“

In den Lernbüros arbeiten die Kinder im eigenen Tempo eigenständig und selbstverantwortlich an ihren Arbeitsplänen und Lernbausteinen. Sie können den Lernplatz wählen und sich auch Hilfe von anderen SchülerInnen holen, was zusätzlich zur Entwicklung von sozialen Kompetenzen beiträgt. „Wir arbeiten sehr projektorientiert und lebensnahe. Auch kreatives Gestalten ist uns wichtig. Es gibt Talentewochen und eine Sozialstunde.“

Elternbörse und Schulversammlung

Die Kommunikation mit den Eltern wird an der Volksschule Farbengarten groß geschrieben. „Wir haben eine Elternbörse ins Leben gerufen. Dabei werden ganz gezielt Talente, Fertigkeiten der Eltern erhoben, um sie in den Unterricht einzubeziehen. Eine Mutter, die begeisterte Töpferin ist, hält beispielsweise entsprechende Workshops an der Schule.“

Zu den Bildungszielen der „Schule im Aufbruch“ gehören neben Denken und Kreativität, sowie Eigenverantwortung auch die Förderung von Verantwortung für andere. „Schule soll zu Demokratie führen und deshalb ist es uns ein Anliegen, dass die Kinder lernen, sich auszudrücken und kritisch zu sein.“

Zweitklässler moderiert Schulversammlung

In regelmäßigen Abständen werden Schulversammlungen abgehalten, die jeweils von einem Kind moderiert werden. Kappl: „Auf diese Art soll ein Gefühl des Miteinanders entstehen. Zuletzt hat die Versammlung ein Zweitklässler moderiert, der alle seine 124 MitschülerInnen beim Vornamen kennt, was schon alleine zu einem wertschätzenden Umgang beiträgt.“

Die Umstellung auf eine „Schule im Aufbruch“ war laut Direktorin Susanne Kappl an der Volksschule Allhartsberg, die eine öffentliche Schule ist, mit kaum bürokratischem und keinem zusätzlichen finanziellen Aufwand verbunden. „Man muss lediglich für die alternative Leistungsbeurteilung einen Antrag stellen.“ Nach knapp einem Jahr bilanziert Susanne Kappl: „Vertrauen ist das große Zauberwort. Unsere SchülerInnen sind hoch motiviert.“

vsfarbengarten.at

www.schule-im-aufbruch.at

 

Maria Zamut